Wer ausreichend und gut schläft, kann sich besser konzentrieren und macht weniger Fehler – bei der Arbeit, in der Freizeit und unterwegs.
Von Barbara Hirschwald und Dr. Frank Bochmann (Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA), Bereich Angewandte Epidemiologie)
Studien von Schlafforschern zeigen: Eine Schlafdauer von mindestens sieben Stunden pro Nacht ist optimal für Erwachsene. Denn wer zu wenig oder nicht erholsam schläft, ist tagsüber müde. Passiert das häufiger und länger anhaltend, kann das die Lebensqualität, die Gesundheit und die Sicherheit am Arbeitsplatz beeinträchtigen. Präventionsmaßnahmen in Form von gesundheitsgerechter Arbeitszeitgestaltung können dort ansetzen, wo Beschäftigte durch atypische Arbeitszeiten in ihrem Schlafverhalten beeinträchtigt sind, zum Beispiel durch Schichtarbeit. Aber auch die Beschäftigten selbst können etwas für ihren guten Schlaf tun.
Tagesmüdigkeit ist ein Warnsignal
Tagesmüdigkeit wird sehr unterschiedlich empfunden und beschrieben: Schlappheit, Mangel an Energie, Erschöpfung, Schläfrigkeit oder Einschlafneigung tagsüber sind einige der Begriffe, mit denen Betroffene ihren Zustand beschreiben. Die Ursachen für Tagesmüdigkeit sind vielfältig. Der Schlaf spielt eine entscheidende Rolle, aber auch Erkrankungen, Medikamente oder psychische Belastungen können zu Erschöpfung und Müdigkeit am Tag führen. Die Arbeitszeit kann das Risiko für Tagesmüdigkeit erhöhen, wenn zu Zeiten gearbeitet werden muss, die eigentlich dem Schlafen vorbehalten sein sollten. Beschäftigte in Schichtarbeit mit sehr frühem Arbeitsbeginn oder in Nachtarbeit können häufig nicht nach ihren eigenen Bedürfnissen schlafen. Aber auch sogenannte „normale“ Arbeitszeiten ab 7 Uhr können dazu führen, dass der Schlaf morgens vorzeitig beendet werden muss und damit ein Schlafdefizit entsteht.
Zu wenig und häufig gestört
Verschiedene Krankenkassen haben in Deutschland den Schlaf ihrer Versicherten untersucht. Etwa ein Viertel der Befragten litt nach persönlicher Einschätzung unter einem gestörten Schlaf. Jeder zweite Beschäftigte in Schichtarbeit leidet aufgrund von wechselnden, sehr frühen oder nächtlichen Arbeitszeiten unter zu wenig und nicht erholsamem Schlaf. Ein Drittel der Personen mit Schlafstörung hatte bereits einmal eine entsprechende ärztliche Diagnose erhalten.
Wie viel Schlaf ein Mensch braucht, hängt vom Alter und auch vom individuellen Schlaftyp ab. Für Kinder werden im Durchschnitt zwölf und mehr Stunden empfohlen, Jugendliche sollten zehn Stunden schlafen. Im Zuge einer Untersuchung der kanadischen Western University in Ontario aus dem Jahr 2018 mit mehr als 10.000 Teilnehmenden erwiesen sich sieben bis acht Stunden Schlaf als optimal für die kognitiven Fähigkeiten. Die tatsächliche Schlafdauer von Erwerbstätigen liegt in Deutschland aber weit darunter. Eine repräsentative Erhebung der Techniker Krankenkasse zeigte, dass etwa die Hälfte der Befragten an Arbeitstagen weniger als sechs Stunden schläft.
Steigendes Unfallrisiko
Der Schlaf von Beschäftigten ist also nicht nur gestört, sondern häufig auch zu kurz – eine schlechte Nachricht für Gesundheit und Arbeitssicherheit. Denn bei dauerhaftem Schlafmangel steigt das Unfallrisiko, Herz-Kreislauf-Erkrankungen nehmen zu und die Immunabwehr wird geschwächt. Aktuellen Schätzungen zufolge werden etwa 13 Prozent aller Arbeitsunfälle durch Müdigkeit verursacht. Problematisch ist vor allem, dass dauerhafter Schlafmangel häufig nicht mehr wahrgenommen wird. Ständige, aber unbemerkte Unkonzentriertheit kann dann zu Unfällen führen. So ergab eine Untersuchung der amerikanischen AAA Foundation for Traffic Safety (einer gemeinnützigen Vereinigung zur Verbesserung der Verkehrssicherheit) aus dem Jahr 2016 bereits bei weniger als sieben Stunden Nachtruhe ein signifikant erhöhtes Verkehrsunfallrisiko.
Der zirkadiane Rhythmus
Der individuelle Wechsel von Schlafen und Wachsein, der sich ungefähr alle 24 Stunden vollzieht, wird als zirkadianer Rhythmus bezeichnet. Eine Vielzahl an Vorgängen im Körper wird zirkadian gesteuert, wie etwa Schlaf, Hunger, körperliche und geistige Aktivität. Durch den Abgleich mit Tageslicht wird die innere Uhr täglich justiert: Die Information über die im Auge ankommende Umgebungshelligkeit wird an die Körperzellen weitergeleitet. Dadurch werden die physiologischen Vorgänge im Körper aufeinander und auf den äußeren Hell-Dunkel-Wechsel abgestimmt. Dieser Vorgang der Synchronisierung ermöglicht bei Reisen in eine andere Zeitzone auch die Anpassung an den geänderten Tag-Nacht-Rhythmus. Aber auch künstliches Licht beeinflusst den biologischen Rhythmus.
Welche Rolle spielt der Chronotyp?
Das optimale Zeitfenster für erholsamen Schlaf ist individuell verschieden und abhängig vom Chronotyp. Dieser ist ein persönliches und genetisch festgelegtes Merkmal so wie zum Beispiel auch der Körperbau. Frühtypen, die sogenannten Lerchen, und Spättypen, die sogenannten Eulen, haben Schlaf-Wach-Rhythmen, die um mehrere Stunden zeitversetzt sind (siehe auch Tabelle oben rechts). Dennoch leben alle nach derselben äußeren Uhr, die maßgeblich durch die Arbeitszeit bestimmt wird. Frühe Chronotypen, die Lerchen, können früh zu Bett gehen und einschlafen. Ihre Leistungsphase liegt meistens zwischen 10 und 18 Uhr. Die späten Chronotypen, die Eulen, haben eher eine Leistungsphase zwischen 14 und 22 Uhr, sind abends lange fit und können morgens bis in den Vormittag hinein schlafen. Der Chronotyp sagt also etwas darüber aus, ob jemand früh oder spät aktiv ist, aber nicht, wie viel Schlaf benötigt wird. Die irreführende Bezeichnung „Langschläfer“ sollte – soweit damit der späte Chronotyp gemeint ist – besser durch den Begriff „Spätschläfer“ ersetzt werden. Die Mehrheit der Bevölkerung gehört zu den sogenannten Intermediärtypen, die zwischen Früh- und Spättyp liegen. Selbst für viele dieser Zwischentypen widerspricht der in Deutschland übliche frühe Arbeitsbeginn der inneren Uhr.
Empfehlungen für einen guten Schlaf
Um die Schlafqualität speziell auch bei Schichtarbeitenden zu verbessern, sollten die Empfehlungen zur Gestaltung von Schichtarbeit aus arbeitswissenschaftlicher Sicht berücksichtigt werden. Auf individueller Ebene können die nachfolgenden Hinweise hilfreich sein:
- Versuchen Sie, regelmäßige Schlafenszeiten passend zu ihrem Chronotyp einzuhalten. Frühtypen fällt es leichter, abends früher zu Bett zu gehen. Spättypen können versäumten Schlaf besser durch Schlafen am Vormittag nachholen. Finden Sie heraus, was für Sie besser passt.
- Schlafen Sie nicht vor dem Fernseher oder Laptop! Schalten Sie das Gerät aus und gehen Sie sofort ins Bett. Der kurze Fernsehschlaf verringert den Schlafdruck und erschwert das anschließende Einschlafen.
- Gönnen Sie sich so viel Tageslicht wie möglich, auch an Arbeitstagen und vor allem im Winter. Es stärkt Ihre innere Uhr, macht Sie einerseits wacher und lässt Sie andererseits besser schlafen.
- Bewegung, am besten draußen bei Tageslicht, fördert eine gesunde Müdigkeit und unterstützt den Stressabbau.
- Nehmen Sie vor dem Schlafengehen nur leichte Kost zu sich, keine schweren Mahlzeiten.
- Trinken Sie ab drei Stunden vor dem Schlafengehen keinen Alkohol. Er beschleunigt zwar das Einschlafen, führt aber zu häufigem nächtlichen Aufwachen.
- Schlafen Sie in einem abgedunkelten Raum. Sorgen Sie für gute Belüftung und kühle Temperaturen, 18 Grad Celsius gelten als optimal.
- Schaffen Sie sich eine Pufferzone zwischen Arbeitsalltag und Zubettgehen. Wenn Sie nicht abschalten können, notieren Sie Ihre Ideen und Gedanken vor dem Schlafengehen. Versuchen Sie es mit einer Anleitung zur Entspannung.