Prävention zum Nachmachen: Die VBG prämiert Sicherheit beim Umgang mit Glasscheiben und Azubi-Sicherheitswochen.
Beim VBG-Präventionspreis zählen Mitgliedsunternehmen der Branche Glas und Keramik zu denen, die am häufigsten die begehrte Auszeichnung gewinnen. Im Jahr 2024 standen bei der zehnten Verleihung gleich drei Betriebe der Glasbranche ganz oben auf dem Treppchen. Die Firma Carglass GmbH überzeugte die Jury mit einem Innovationsprojekt, das den Muskel-Skelett-Apparat entlastet. Die Glas Trösch GmbH setzt eine Maßnahme um, die das sichere Bewegen von Glasscheiben an handgeführten Vakuumhebegeräten gewährleistet. Die SCHOTT AG begeistert ihre Azubis für sichere und gesunde Arbeit.
Carglass®: Hebe- und Einlegehilfen beim Scheibentausch
Die Carglass GmbH ist spezialisiert auf das Reparieren und Austauschen von Fahrzeugscheiben. Dafür arbeiten in dem Unternehmen in Deutschland rund 2.300 Beschäftigte an 375 Standorten. Eine Pkw-Scheibe wiegt im Durchschnitt 14 Kilogramm und maximal 40 Kilogramm. Eine solche Scheibe auszutauschen, kann körperlich belastend sein, insbesondere bei ungünstigen Körperhaltungen. Deshalb suchte Carglass® nach einer Möglichkeit, die Belastungen für die Beschäftigten zu reduzieren.
Selbst entwickelt

Da es auf dem Markt keine ausreichend funktionelle beziehungsweise wirtschaftliche Lösung für Carglass® gab, setzte das Unternehmen auf eine eigene Entwicklung. Die Fachkraft für Arbeitssicherheit beschrieb zunächst die exakten Anforderungen für einen ergonomischen und sicheren Prozess. Ein Schlüssel zum Erfolg war hierbei die starke Einbindung der Beschäftigten.
Schritt für Schritt näherte sich Carglass® in Zusammenarbeit mit externen Partnern dem Ziel. Die neu entwickelte Hebe- und Einlegehilfe hat einen klaren Vorteil: Sie nimmt das komplette Gewicht einer Autoglasscheibe auf. Der Arbeitsprozess kann nunmehr auch von Beschäftigten mit geringeren Körperkräften ausgeführt werden. Die Scheibe lässt sich darüber hinaus exakt steuern und positionieren. Die Hebe- und Einlegehilfe kann auch in engen Werkstätten genutzt werden. Besondere Anforderungen an die Statik des Aufstellorts werden nicht gestellt.
Produktivität erhöht
Es gibt auch einen klaren wirtschaftlichen Effekt: Ab der Fahrzeugkategorie SUV/Van/Kleinbus entscheidet die Servicetechnikerin beziehungsweise der Servicetechniker, ob der Scheibenaustausch von einer Person allein durchführbar ist. Mit den neuen Hebe- und Einlegehilfen ist es möglich, die Scheibenmontage der oben genannten Fahrzeuge ohne Hilfe allein durchzuführen. Die Neuentwicklung ist deshalb für Standorte, die nur mit einer Person besetzt sind, ein klarer ökonomischer Vorteil. Die Verantwortlichen für das Projekt hatten einen klaren Plan und die nötige Geduld. Die starke Beteiligung der Servicetechniker führte zu einer sehr guten Anwenderfreundlichkeit und einer hohen Akzeptanz.
Glas Trösch: Sicheres Bewegen von Glas
Glas Trösch ist ein familiengeführtes Unternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz. In Deutschland ist es mit 20 Werken vertreten, in denen Glas aller Art hergestellt und verarbeitet wird. Am Standort Bad Krozingen am Rande des Schwarzwalds produzieren etwa 100 Beschäftigte Isolierglas und bearbeiten Flachglas. Auf Schneidtischen bearbeiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Glasscheiben, die bis zu 350 Kilogramm schwer sein können. Nach dem Schneiden hebt ein handgeführtes Vakuumhebegerät die auf dem Tisch liegende Scheibe an und setzt sie dann senkrecht auf einem Flachglasgestell ab.
Unterdruck pneumatisch verstärken
Wenn der Vakuumheber die Scheibe von der waagerechten in die senkrechte Position bewegt, muss gewährleistet sein, dass ein ausreichender Unterdruck anliegt, da die Scheibe sonst von den Saugtellern abrutschen könnte. Durch den Fall der Scheibe auf den Boden kam es in der Branche öfter zu erheblichen Verletzungen der Mitarbeitenden. Glas Trösch strebte deshalb eine technische Lösung an, bei der ein Kippvorgang von horizontal zu vertikal nur eingeleitet werden kann, wenn ein ausreichender Unterdruck an den Saugtellern vorhanden ist.
Ein Mitarbeiter des Unternehmens hatte die entscheidende Idee: Nach akribischer Analyse des Pneumatikplans des handgeführten Hebegeräts stieß er auf eine Möglichkeit, die Schaltung zu modifizieren. Nach dieser Änderung ist es jetzt nicht mehr möglich, die Drehbewegung ohne händisches Zuschalten der pneumatischen Unterstützung auszulösen. Ein Unterlassen des Zuschaltens hätte eine Zwangsverriegelung zur Folge, die das Kippen der Scheibe ausschließt. Die Sicherheit ist damit im vollen Maß gegeben.
Idee besonders wirtschaftlich
Die von der Glas Trösch GmbH gefundene innovative Lösung erhöht nicht nur die Sicherheit erheblich. Sie ist auch besonders wirtschaftlich. Die Realisierung kostete nur wenige Euro.
SCHOTT: Azubis fördern und zum Azubi-Sibe ausbilden

SCHOTT ist ein führender internationaler Technologiekonzern in den Bereichen Materialinnovationen, Spezialglas und Glaskeramik mit über 17.000 Beschäftigten. Ein Präventionsziel des Unternehmens lautete, die Unfallzahlen bei den Auszubildenden (Azubis) weiter zu reduzieren. Ein Weg hierzu ist es, die Unterweisungen weiterzuentwickeln. Die jungen Menschen sollten damit bereits zu Beginn ihres Berufslebens Prävention als wichtig und interessant erfahren.
Die für die Ausbildung Verantwortlichen erarbeiteten ein überzeugendes neues didaktisches Konzept. In einer „Azubi-Sicherheitswoche“ erhalten die Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger eine Schulung zur Prävention in Theorie und Praxis. Dabei werden altersgerecht die Aufgaben der Beteiligten vorgestellt. Sie geben Einblicke in Betriebsanweisungen und Unterweisungen, den Gefährdungsfaktoren und zur Hierarchie der „STOP“-Maßnahmen sowie zum betrieblichen Gesundheitsschutz bei SCHOTT.
Wahrnehmungsübungen und Lernstationen
Mit Wahrnehmungsübungen erhalten die Auszubildenden einen bleibenden Eindruck, was passieren kann, wenn Arbeitsschutz nicht beachtet wird. Praktische Beispiele zu vermeidbaren Gefahren stärken die Risikokompetenz.
An Lernstationen erfolgt die praktische präventive Schulung: Die Auszubildenden befassen sich zunächst mit Leitfragen zu den Gefährdungen des jeweiligen Arbeitsmittels. Dann erhalten sie eine Einweisung und führen die Tätigkeiten ihres späteren Einsatzes am Arbeitsplatz unter Anleitung und Aufsicht von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen durch. Zuletzt unterweisen sich die Azubis gegenseitig. Mit den Eindrücken und Erfahrungen an den Lernstationen erstellen die jungen Menschen zum jeweiligen Arbeitsmittel „Microlearnings“ – ein Lernansatz, bei dem Inhalte in kleine, effektive Einheiten (Learn-Nuggets) aufgeteilt werden. Diese haben bei SCHOTT zudem spielerischen Charakter (Gamification), was das Lernen für die Azubis leichter, unterhaltsamer und interaktiver macht. Hierbei sammeln die Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger Erfahrungen mit der Informationsaufbereitung und der Wissensvermittlung.
Die zielgruppenspezifischen Unterweisungen sind durch das Kennenlernen und Anwenden in der Praxis sehr einprägsam. Die Azubis werden für sichere und gesunde Arbeit bereits am Anfang des Berufslebens besonders sensibilisiert.
Azubi-Sicherheitsbeauftragte
Im Rahmen des Projekts führt SCHOTT außerdem Azubi-Sicherheitsbeauftragte (Sibe) ein. Die Verantwortlichen erstellen hierfür eine Stellenbeschreibung. Nach einer sechsmonatigen Erfahrung im Ausbildungsberuf können sich die jungen Menschen als Azubi-Sibe bewerben. In einem Tagesseminar lernen sie anschließend viel über Rechte und Pflichten sowie die Rolle des Sibe, Gefährdungsbeurteilungen und die Maßnahmenhierarchie der Prävention. Die nach Lehrjahren gestaffelten Aufgaben beinhalten zunächst Kontrolltätigkeiten, das Beobachten und Melden und später auch das Unterstützen bei der Gefährdungsbeurteilung. Die Azubi-Sibe unterstützen die Sicherheitsbeauftragten und wirken als Multiplikatoren bei den Auszubildenden. SCHOTT ist von einem nachhaltigen Präventionseffekt über die Azubi-Zeit hinaus überzeugt.
Drei Fragen an den Experten
Welche Unternehmen sind für den VBG-Präventionspreis geeignet?
Alle bei der VBG versicherten Unternehmen können den VBG-Präventionspreis gewinnen oder sich für eine Auszeichnung bewerben. Die Sieger erhalten bis zu 15.000 Euro. Auf www.vbgnext.de anmelden, dort erfahren Sie mehr.
Welche Projekte kommen dafür infrage?
Die Mitgliedsunternehmen können mit allen Themen für sichere und gesunde Arbeit teilnehmen. Das können technische Lösungen oder auch organisatorische Maßnahmen sein, beispielsweise die Neugestaltung der Unterweisung zum Arbeitsschutz oder ein erfolgreiches Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM).
Wo erfahre ich mehr über prämierte Präventionsprojekte?
Auf www.vbgnext.de sind mehr als 100 prämierte und weitere ausgezeichnete betriebliche Präventionsprojekte veröffentlicht, die anderen Betrieben Impulse für sichere und gesunde Arbeit geben. Mit Filterfunktionen können Branchen und Themen ausgewählt werden.
