Die neue DGUV Information 208-016 – Die Verwendung von Leitern und Tritten

von Thomas Jacob, Referatsleiter Leitern, Tritte und ortsfeste Arbeitsbühnen, DGUV


Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) verzeichnet rund 22.000 arbeitsbedingte Leiterunfälle pro Jahr. Etwa die Hälfte davon sind Abstürze von der Leiter – viele mit schwerwiegenden Verletzungen, bis hin zu tödlichem Ausgang. Ursache ist oft die Auswahl eines ungeeigneten Aufstiegsmittels oder das fehlerhafte Verhalten der Benutzer.

Beim Gebrauch von Leitern führen verschiedene Ursachen immer wieder zu Unfällen. So kann der Leiterfuß oder der Leiterkopf ab- beziehungsweise wegrutschen. Ist die Leiter nicht standsicher aufgestellt oder nicht gesichert, kann sie um- oder wegkippen. Abstürze entstehen auch dadurch, dass Personen sich seitlich herauslehnen oder einen unsicheren Stand haben und dabei das Gleichgewicht verlieren. Wer ungeeignete Schuhe trägt, riskiert zudem, von den Sprossen abzurutschen. Ein weiteres Risiko besteht darin, dass Beschäftigte sperriges Material mit sich führen oder mit hohem Krafteinsatz auf einer ungesicherten Leiter arbeiten. Auch kommt es allzu häufig vor, dass von einer Stehleiter übergestiegen wird, um auf höher gelegene Arbeitsplätze zu gelangen. Weitere Unfallquellen sind eine unzureichende Leiterhöhe oder schadhafte Leitern, die den Belastungen nicht standhalten.

NUR SICHERE ARBEITSMITTEL VERWENDEN

Bei Kontroll- und Wartungsarbeiten ist der Einsatz von Leitern oftmals unumgänglich.

Bevor eine Leiter oder ein Tritt als hoch gelegener Arbeitsplatz oder als Zugang zu hoch gelegenen Arbeitsplätzen zur Verfügung gestellt und verwendet wird, muss im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ermittelt werden, welches Arbeitsmittel für die auszuführende Arbeit geeignet und sicher ist. Die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) als rechtliche Grundlage für die Verwendung von Leitern und Tritten fordert dies im § 3 und weiter im Anhang 1, Abs. 3.1.4:

Die Verwendung von Leitern als hoch gelegene Arbeitsplätze […] ist nur in solchen Fällen zulässig, in denen:

a) wegen der geringen Gefährdung und wegen der geringen Dauer der Verwendung andere, sicherere Arbeitsmittel nicht verhältnismäßig sind

und

b) die Gefährdungsbeurteilung ergibt, dass die Arbeiten sicher durchgeführt werden können.

SICHERE ALTERNATIVEN

Generell dürfen Leitern nur eingesetzt werden, wenn die Gefährdungsbeurteilung ergibt, dass für die geplante Tätigkeit kein sichereres Arbeitsmittel zur Verfügung steht. Dies bedeutet, dass immer zu prüfen ist, ob die Leiter das richtige Arbeitsmittel für die Tätigkeit ist. Damit ist die Leiter immer die zweite Wahl, da es oft sicherere Arbeitsmittel gibt. So sind beispielsweise Hubarbeitsbühnen, Arbeitsplattformen oder Gerüste eine sicherere Alternative.

VERWENDUNGSARTEN

Die Leiter als Zugang zu hoch gelegenen Arbeitsplätzen.

Die Technische Regel für Betriebssicherheit TRBS 2121 Teil 2 „Gefährdung von Beschäftigten bei der Verwendung von Leitern“ konkretisiert die Betriebssicherheitsverordnung. In dieser staatlichen Regel werden zwei Arten der Verwendung von Leitern unterschieden:

1. Die Leiter als Verkehrsweg

Dient die Leiter als Zugang zu beziehungsweise Abgang von hoch gelegenen Arbeitsplätzen, so ist ihre maximale Höhe auf fünf Meter begrenzt. In sehr seltenen Fällen ist auch eine größere Höhe zulässig.

2. Die Leiter als hoch gelegener Arbeitsplatz

Dies ist nur zulässig bis zu einer Standhöhe von zwei Metern. Eine Standhöhe zwischen zwei und fünf Metern ist nur bei zeitweiligen Arbeiten zulässig. Darunter versteht man Tätigkeiten auf der Leiter, die insgesamt nicht länger als zwei Stunden je Arbeitsschicht dauern. Beispiel: Für Reparaturarbeiten in einer Anlage (Höhe >2 m) werden acht Stunden veranschlagt. Da diese Zeitspanne die Zwei-Stunden-Grenze deutlich überschreitet, darf diese Tätigkeit nicht mit einer Leiter ausgeführt werden. Auch eine Aufteilung auf mehrere Tage mit jeweils zwei Stunden oder auf verschiedene Personen je zwei Stunden ist unzulässig, da dies eine Umgehung der Zwei-Stunden-Grenze bedeuten würde.

Darüber hinaus wird gefordert, dass „der Beschäftigte mit beiden Füßen auf einer Stufe oder Plattform steht und der Standplatz auf der Leiter nicht höher als fünf Meter über der Aufstellfläche liegt“.


BESCHAFFUNG UND AUSWAHL

Die DGUV Information 208-016 „Die Verwendung von Leitern und Tritten“ gibt erläuternde Hinweise zu den Vorschriften der Betriebssicherheitsverordnung über die Beschaffung und Verwendung von tragbaren Leitern und Tritten. Die Informationsschrift bietet Antworten auf folgende Fragen:

  • An wen richtet sich diese DGUV Information?
  • Wofür ist der Unternehmer bei der Zurverfügungstellung und Verwendung von Leitern und Tritten verantwortlich?
  • Was müssen Unternehmerinnen und Unternehmer bei der Zurverfügungstellung von Leitern und Tritten einschließlich des Zubehörs beachten?
  • Worauf kommt es bei Unterweisung der Beschäftigten an?
  • Was gilt für die Verwendung von Leitern und Tritten?
  • Welche Kriterien sind für die Prüfung und Instandhaltung wichtig?
  • Was ist zu tun, wenn Leitern und Tritte Schäden aufweisen?

Seit dem 1. Januar 2018 werden Leitern in zwei Klassen eingeteilt: Leitern für den beruflichen und für den privaten Bereich. Bei der Auswahl sind folgende Kriterien zu berücksichtigen:

  • Arbeitsaufgabe,
  • maximale Traglast,
  • erforderliche Leiterlänge,
  • Art der Verwendung (Leiter als Verkehrsweg oder Leiter als Arbeitsplatz),
  • Arbeitsweise auf Leitern und Tritten (zum Beispiel Übersteigeverbot von Stehleitern),
  • ergonomische Bedingungen (zum Beispiel Über-Kopf-Arbeiten),
  • mitgeführtes Material und Werkzeug (Größe, Gewicht),
  • Beschaffenheit der Standfläche (zum Beispiel rutschiger Untergrund) sowie
  • zusätzliche Gefährdungen, zum Beispiel bei elektrischen Anlagen, Anlagen mit Explosionsgefahr, Rohrleitungen und Behältern, Schächten und Kanälen, maschinellen Anlagen und Einrichtungen,
  • Kran- und Förderanlagen, Absturzkanten, Umgang mit Gefahrstoffen.

In der DGUV Information werden zudem die verschiedenen Leiterbauarten vorgestellt. Dabei werden neben den bekannten Leitern wie Anlege-, Steh- und Mehrzweckleiter auch folgende Leiterbauarten beschrieben: Podestleiter, Steckleiter, Teleskopleiter, Roll- oder Regalleiter, Glasreinigerleiter, Seilleiter, Dachauflegeleiter.

Darüber hinaus wird auch der Einsatz von Leiterzubehör thematisiert, wodurch die Arbeit erleichtert oder die Standsicherheit erhöht werden kann.

JÄHRLICHE UNTERWEISUNG

Viele Leiterunfälle sind auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen. Daher nimmt die jährliche Unterweisung einen breiten Raum in der DGUV Information ein. Zu den Unterweisungsinhalten zählen:

  • die bestimmungsgemäße Verwendung,
  • bauartspezifische Besonderheiten sowie
  • mögliche zusätzliche Gefährdungen durch innerbetrieblichen Verkehr,
  • Witterungseinflüsse (zum Beispiel Glätte, Sturm), elektrische Anlagen, Anlagen mit Explosionsgefahr, Schächte und Kanäle, Rohrleitungen und Behälter, maschinelle Anlagen und Einrichtungen.

SICHERER UMGANG

Bei der Verwendung von Leitern und Tritten muss vieles beachtet werden. In der vom Hersteller mitgelieferten Gebrauchsanweisung wird die sichere Verwendung von Leitern und Tritten beschrieben. Darüber hinaus gibt die Sicherheitskennzeichnung auf der Leiter die sichere Verwendung der Leiter wieder.


PRÜFUNG UND INSTANDHALTUNG

Auch über die Prüfung und Instandhaltung von Leitern informiert die Schrift. Bei Leitern und Tritten ist vor der Verwendung durch den Benutzer oder die Benutzerin der ordnungsgemäße Zustand zu kontrollieren. Darüber hinaus müssen sie einmal jährlich durch eine dazu befähigte Person überprüft werden. Das Ergebnis dieser Prüfung ist zu dokumentieren. Personen mit ausreichenden handwerklichen Kenntnissen und Fertigkeiten können Instandsetzungsarbeiten geringen Umfangs an Leitern und Tritten durchführen. Beispiele hierfür sind: Auswechslung/Einbau von Leiterfüßen, Kürzung der Leiter bei Beschädigung der Holmenden oder der Austausch von einschraubbaren Sprossen.

Eine Checkliste am Ende der DGUV Information erleichtert die Prüfung der Leitern und kann als Dokumentation verwendet werden.

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