„LOCKOUT/TAGOUT“-Systeme – Hinter Schloss und Riegel

Das Unternehmen Saint-Gobain Sekurit Deutschland GmbH produziert am Standort Herzogenrath bei Aachen innovative Verglasungssysteme für die Automobilbranche. Maschinen und Anlagen vor Ort müssen für einen reibungslosen und sicheren Betrieb regelmäßig gewartet, instand gesetzt, repariert, gereinigt und überprüft werden. Um hierbei das Unfallrisiko zu minimieren, hat das Unternehmen die Sicherungsmethode LOTO („Lockout/Tagout“) eingeführt.

Gefährdungen bei Tätigkeiten an Maschinen und Anlagen können vielfältig sein. Die meisten Ereignisse können auf folgende drei Gefährdungen zurückgeführt werden:

  • Unerwartete Energiezufuhr (elektrische Durchströmung)
  • Unerwarteter Maschinen-/Anlagenstart ­(Starten gefahrbringender Bewegungen)
  • Unerwartete Freisetzung von Energien und Stoffen (Bewegungen durch gespeicherte Energien)

Auch bei Saint-Gobain Sekurit kam es in der Vergangenheit zu Unfällen bei Instandhaltungsarbeiten beziehungsweise Störungsbeseitigungen an Maschinen und verketteten Anlagen. Zum Beispiel wurde ein Mitarbeiter bei der Störungsbeseitigung an einer Verpackungsanlage durch die plötzlich frei werdende Federkraft eines Greifers verletzt. In Zusammenarbeit der Fachabteilungen Umwelt, Gesundheit und Sicherheit (EHS), Engineering sowie Instandhaltung wurden deshalb an allen Maschinen und Anlagen die Maßnahmen zur sicheren Abschaltung im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung überarbeitet. Hierbei achteten die Beteiligten besonders darauf, dass alle Arten von Energien (siehe Infokasten) berücksichtigt wurden und dass diese nicht unkontrolliert wirken beziehungsweise freigesetzt werden können.

GEFAHRLOS ARBEITEN

Im Unternehmen Saint-Gobain Sekurit wurde zu diesem Zweck das Prinzip LOTO eingeführt. Das Kürzel steht für „Lockout/Tagout“. Dieses basiert auf den Begriffen „lock“ für Schloss und „tag“ für Etikett. LOTO ist eine Sicherungsmethode, bei der die jeweilige Anlage mit einem systematischen Freischaltprozess abgeschlossen und gekennzeichnet wird. Indem Maschinen freigeschaltet, gegen das Wiedereinschalten gesichert und gekennzeichnet werden, können Beschäftigte gefahrlos an der Anlage arbeiten. Sie müssen nicht befürchten, dass das System unerwartet oder irrtümlich in Gang gesetzt wird. Dies ist besonders bei unübersichtlichen und verketteten Anlagen wichtig.

Von der Risikoermittlung zur betrieblichen Anwendung
Von der Risikoermittlung zur betrieblichen Anwendung

VERRIEGELN UND KENNZEICHNEN

Lockout-Verriegelungen sind im Allgemeinen technische Einricht

ungen, mit denen Stellglieder wie Schalter und Armaturen einer Maschine oder Anlage in einer bestimmten Position fixiert werden können. Die Verriegelung besteht aus einer Blockiereinrichtung und einem Schloss. In manchen Fällen wird dabei das Schloss auch gleichzeitig zum Blockieren eingesetzt.

Die Sicherungsmaßnahme sollte zusätzlich ausreichend gekennzeichnet sein („Tagout“), sodass Beschäftigte, die die Anlage in Betrieb nehmen wollen, wissen, warum sie stillgesetzt wurde und wen sie bei Problemen ansprechen können.

Sind Maschinen derart ausgestattet, lassen sich in einem festgelegten betrieblichen Verfahren vor Durchführung von Instandhaltungsarbeiten die notwendigen Trennstellen blockieren oder unbedienbar machen und gleichzeitig optisch sichtbar kennzeichnen. Hierbei muss zunächst systematisch analysiert werden, welche Ener­gien an den Anlagen vorhanden sind.

ÜBERSICHT VERSCHAFFEN

Um Ventile oder Schalteinheiten sicher zu verriegeln und zu kennzeichnen, gibt es verschiedene Lösungen. Doch welche Maßnahme ist die richtige? Ist sie vor Ort umsetzbar und wie wird sie richtig angewandt? Sind wirklich alle Arten von Energien erfasst? Für die Beschäftigten muss eine Möglichkeit geschaffen werden, jederzeit das eingesetzte Verfahren nachvollziehen und auch trainieren zu können. Frank Heinen (Fachkraft für Arbeitssicherheit) und Michael Walter (Leiter Instandhaltung) haben bei Saint-Gobain Sekurit für dieses Problem eine überzeugende Lösung gefunden. Sie entwickelten das sogenannte LOTO-Board. Dort sind alle vom Unternehmen zugelassenen Verriegelungstechniken übersichtlich zusammengestellt. Das Board und die entsprechenden Materialien stehen in der Zentralwerkstatt den Handwerkerinnen und Handwerkern jederzeit zum Training und zur Umsetzung zur Verfügung. Ebenso wurden die Anlagenteile fotografiert und die richtigen Stellen für die Anwendung von LOTO gekennzeichnet. Diese Unterlagen gibt es zentral in der Werkstatt und ebenso vor Ort an den Anlagen.

IRRTÜMER „AUSSCHLIESSEN“

LOTO-Board mit all seinen zugelassenen Verriegelungstechniken
LOTO-Board mit all seinen zugelassenen Verriegelungstechniken

Bei Saint-Gobain Sekurit lassen sich nun die unterschiedlichsten Energien der Maschinen an den vorgesehenen Stellen so sicher unterbrechen, dass diese nicht ohne Weiteres unbefugt, irrtümlich oder unerwartet in Gang gesetzt werden können. Dafür werden zum Beispiel die Hauptschalter ausgeschaltet und mit einem Vorhängeschloss gesichert.

Grundsätzlich gilt für solche Verriegelungen: Müssen mehrere Personen oder parallel arbeitende Abteilungen gleichzeitig Arbeiten an einer Anlage durchführen, ist sicherzustellen, dass jede Person ihr eigenes, persönliches Schloss besitzt und benutzt. Zu diesem Zweck sind die Blockiereinrichtungen häufig so gestaltet, dass sie von mehreren Personen gleichzeitig abgeschlossen werden können. Auf diese Weise können alle, die im Gefahrenbereich arbeiten, ein persönliches Schloss einsetzen. Über dieses haben sie während der ganzen Arbeitsdauer die alleinige Kontrolle, um ihren eigenen Schutz zu gewährleisten. Eine Wiederinbetriebnahme ist in diesem Fall erst dann möglich, wenn alle an den Arbeiten beteiligten Personen ihr Schloss entfernt haben. So wird verhindert, dass ein Stellteil freigegeben wird, obwohl eine Person ihre Arbeiten im Gefahrenbereich noch nicht beendet hat.

GUTE ERFAHRUNGEN

„Das System ist in unserem Unternehmen mittlerweile gut etabliert. Nach anfänglichen Schwierigkeiten wurde es durch die Mitarbeiter gut angenommen und stellt einen wirksamen Beitrag zur Erhöhung der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes dar. Die im Unternehmen gelebte Unternehmenspolitik ,Gesundheit und Sicherheit ohne Unfälle‘ trug mit zur Akzeptanz des Systems bei“, erklärt Frank Heinen.

Drei Fragen an den Experten

Wie unterstützt die VBG Unter­nehmen, die das LOTO-­System einführen wollen?

Ab dem Prämienjahr 2023 beteiligt sich die VBG mit 40 Prozent der Investitionskosten für die Beschaffung und Einführung eines Systems zur Verhinderung des unbeab­sichtigten Wieder­einschaltens von Geräten, Maschinen und Anlagen. Die Beschaffung der not­wendigen Bau­teile, wie zum Beispiel aller erforderlichen LOTO-­Systemteile einschließlich der Zangen für ­mehrere Schlösser, wird gefördert, wenn das Unternehmen auch entsprechende Abschaltlisten, Betriebs­anweisungen, Unterweisungshilfen erstellt und umgesetzt hat.

Ist auch die Erweiterung eines bestehenden LOTO-Systems prämienfähig?

Ja, anders als bei vielen anderen Maßnahmen im Prämienkatalog gilt beim „Lockout/Tagout“-System, dass auch für Erweiterungen oder Übertragungen auf andere Maschinen und Anlagen ein Zuschuss beantragt werden kann. Das gilt sowohl für neu beschaffte als auch für bestehende Anlagen.

Wie lange haben ­Unternehmen Zeit, die Unterlagen bei der VBG einzureichen?

Der Prämienantrag muss inklusive Nachweise der Investition jeweils bis zum 11. Februar des Folgejahres bei der VBG eingegangen sein. In unserem aktualisierten Prämienkatalog sind weitere neue Investitionen zu finden. Bitte informieren Sie sich auf unserer Homepage: aktualisierter Prämienkatalog

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