Arbeit mit Schutzhandschuhen – Wenn die Rollenbahn zur Fangstelle wird

Unterschätzte Gefahr in Flachglasbetrieben: Bleiben beschichtete Schutzhandschuhe an der Gummiwalze eines Stetigförderers haften, kann das zu schweren Verletzungen führen.

In der Flachglasindustrie werden für den Transport von Glasscheiben sensorgesteuerte, automatisch angetriebene Rollenbahnen eingesetzt. Diese fördern die Scheiben zwischen den verschiedenen Bearbeitungsschritten. Über das Auslösen eines Sensors durch die Glasscheibe am Ende der Rollenbahn wird die Förderbewegung gestoppt. Beschäftigte nehmen die Glasscheiben von der Rollenbahn und stellen sie auf einem Flachglastransportgestell ab. Um eine gute Griffigkeit bei der Abnahme zu gewährleisten und um die empfindliche Beschichtung der Glasoberfläche nicht zu beschädigen, werden dabei gummierte Schutzhandschuhe getragen.

Bei diesen Tätigkeiten ereigneten sich in der Flachglasindustrie zuletzt häufiger schwere Unfälle. Der Grund dafür war, dass gummierte Schutzhandschuhe an den Gummirollen der Rollenbahnen anhafteten oder umwickelt wurden – teilweise mit Amputationsverletzungen der Finger. 

Schutzhandschuhe von Gummiwalzen erfasst

So verletzte sich im letzten Jahr ein Auszubildender an einer automatischen Rollenbahn, als er dort eine Glasscheibe im Bereich der Siebdruckanlage abnehmen wollte. Dabei erfasste eine Gummirolle seinen Schutzhandschuh und zog die Hand in die Anlage. Der Beschäftigte verletzte sich dabei schwer. Durch einen Kollegen wurde der Not-Halt-Taster betätigt und die Rettungskette ausgelöst. 

In einem anderen Unternehmen der Branche passierte ein ähnlicher Unfall, ebenfalls an einer Rollenbahn. Dort wollte ein Beschäftigter verschobene Gummiwalzen wieder in Position bringen. Dies tat er bei laufendem Betrieb, während er auf die abzunehmende Glasscheibe wartete. Seine behandschuhte Hand wurde dabei von einer Rolle eingezogen. Der Verunfallte konnte sich selbst befreien, indem er seine Hand aus der Gefahrstelle zog und anschließend den Not-Halt-Taster am Ende des Kipp­tisches betätigte. 

Unfallgefahr unterschätzt

Da die Sicherheitsabstände zwischen den angetriebenen Rollenbahnen für Hände von 100 und für Arme von 120 Millimetern nach DIN EN ISO 13854 eingehalten werden und die Transportgeschwindigkeit produktbedingt moderat ist, wird die Unfallgefahr von Unternehmen und Beschäftigten oft unterschätzt. Unfall­ursächlich ist die Tatsache, dass der an der Innenfläche beschichtete Schutzhandschuh an der gummierten Rolle anhaften kann und dieser dann aufgewickelt wird. 

Notwendige Schutzmaßnahmen 

Einen Hauptrisikofaktor stellt das Tragen der Schutzhandschuhe dar – mit besonderer Gummierung zum Schutz des Glases, auf die nicht verzichtet werden kann. Die komplette Verkleidung der Rollen als technische Schutzmaßnahme ist nicht möglich und birgt weitere Risiken. Diese Kombination der Risiken beim Umgang mit der Technik müssen Unternehmen in ihrer Gefährdungsbeurteilung berücksichtigen und überprüfen. Auf dieser Basis erfolgt dann die Auswahl des geeigneten Sicherheitskonzepts, um die Risiken zu reduzieren. Zudem sollten eine Betriebsanweisung erstellt und die Beschäftigten unterwiesen werden. 

Tipps von der Expertin 

Worauf müssen Unternehmen beim Betrieb von Stetigförderern sonst noch achten?

Die Mindestmaße für Hände und für Arme nach DIN EN ISO 13854 müssen auch für Sensoren oder Stabilisierungsstreben an der Rollenbahn eingehalten werden. Zudem darf bei manueller Aufgabe und Abnahme die letzte Rolle nach DIN EN ­13035-9:2010-07 nicht angetrieben sein, um den Einzug von Kleidung zu verhindern. Das ­Unfallgeschehen zeigt, dass die gute Erreichbarkeit des Not-Halt-Tasters vom Abnahmeplatz aus ­geprüft werden muss. 

Dr. Sabine Erdmann-Weiß
Dr. Sabine Erdmann-Weiß, Aufsichtsperson der VBG, Dresden

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