Sicherer Umgang mit Nanotechnologie – Nano – eine neue Technologie oder ein alter Hut?

In römischer Zeit waren das Herstellen farbigen Glases und das Bearbeiten des Glases durch Schleifen und Schneiden in den Zentren wie zum Beispiel Alexandrien, Italien und Köln weit entwickelt. Im Laufe der Jahrhunderte brachte es der Berufszweig der Glasmacher auf einen hohen Stand der Technik, dessen handwerklicher und künstlerischer Höhepunkt etwa im 3. und 4. Jahrhundert nach Christus lag. Dabei hat die Nanotechnologie eine entscheidende Rolle für die Schaffung der farbigen Kunstwerke gespielt.

Größenvergleich Ein Virus ist durchschnittlich 100 Nanometer groß, die Hülle einer Zelle ist etwa acht Nanometer dünn. 1 Nanometer (nm) verhält sich zum Durchmesser eines Apfels genauso, wie sich der Apfel zum Durchmesser der Erde verhält (10 –9 m zu 10 –1 m zu 10 7 m). Nanomaterialien sind chemische Stoffe oder Materialien mit einer Partikelgröße von 1 bis 100 Nanometern in mindestens einer Dimension.

Die unsichtbaren und unvorstellbar kleinen Nanopartikel stecken bereits heute in vielen Produkten, die ihre Eigenschaften der Nanowelt verdanken. Zum Beispiel bildet sich in Anwesenheit von Wasser und Sauerstoff auf einer Nanotitandioxidschicht das Desinfektionsmittel Wasserstoffperoxid und vernichtet so Bakterien oder Schimmelpilze. Derart beschichtete Fliesen können in Krankenhäusern verhindern, dass sich Keime ausbreiten. Nanopartikel sind so klein, dass sie sichtbares Licht nicht beeinflussen und sich deshalb als kratzfeste Beschichtungen für Brillengläser eignen, Teppich und Kleidungsstücke vor Flecken schützen oder die Ablagerung von Kalk und Schmutz auf Waschbecken und Duschkabinen verhindern. Nanokeramische Beschichtungen machen Leichtmetalle hart und chemisch widerstandsfähig.

Gefahren im Nanobereich

Nanomaterialien gelten als eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Doch ganz unbedenklich sind sie nicht. Gesundheitliche Auswirkungen von Nanomaterialien betreffen die Lunge und führen unter anderem zu Entzündungen und Gewebeschäden, Fibrose und der Bildung von Tumoren. Auch das Herz-Kreislauf-System kann betroffen sein. Einige Arten von Kohlenstoffnanoröhren können ähnliche Auswirkungen wie Asbest haben. Außer in der Lunge wurden Nanomaterialien auch in anderen Organen und Geweben einschließlich Leber, Nieren, Herz, Gehirn, Knochen und Weichgewebe nachgewiesen. Werden neue Technologien wie diese eingeführt, sind die Risiken meist nicht abschließend erforscht, besonders wenn es um mögliche Langzeitwirkungen geht.

Im Falle der Nanopartikel gehen die Forschenden von ähnlichen Eigenschaften und Wirkprinzipien wie bei größeren Partikeln aus. Dabei sind auch die stofflichen Eigenschaften der Teilchen zu berücksichtigen.

Einige Stoffklassen, etwa Kohlenstoffnanoröhren, stehen jedoch weiterhin unter verstärkter Beobachtung, da man ihnen wegen ihrer faserartigen Struktur, siehe Asbest, krebserzeugende Eigenschaften zutraut. Aufgrund dieser Erkenntnisse wurden Leitfäden für den Umgang mit Nanopartikeln nach dem Stand der Technik veröffentlicht.

Aufgrund der größeren spezifischen Oberfläche je Volumen können Nanomaterialien im Vergleich zu demselben Material ohne Merkmale im Nanobereich andere Eigenschaften aufweisen. Daher können die physikalisch-chemischen Eigenschaften von Nanomaterialien von den Eigenschaften von Partikeln mit größeren Maßen abweichen.

Nanomaterialien in REACH erfasst

Nachdem die Nanotechnologie derzeit einen rasanten Aufstieg vollzieht und auf dem europäischen Markt bereits viele Produkte vertreten sind, die Nanomaterialien enthalten, werden diese ab 2020 systematisch erfasst und bewertet. 

Mit der Anpassung und Ausgestaltung der REACH (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) -Verordnung für Nanomaterialien gelten nun klarere und eindeutige Regeln für diese auf dem europäischen Markt. Es wird eine rechtlich verbindliche Definition des Begriffs „Nanomaterial“ geben. Ab Januar 2020 müssen Hersteller, Importeure und nachgeschaltete Anwender von Chemikalien der Europäischen Chemikalienagentur ECHA schon bei der Registrierung von Stoffen detaillierte Informationen darüber geben, ob es sich um Nanomaterialien handelt. Auf diese Weise sollen Basisdatensätze entstehen, die die Nanomaterialien eindeutig charakterisieren. Die Registranten von Nanomaterialen werden zudem gefordert sein, weitergehende toxikologische und ökotoxikologische Daten zu diesen Stoffen vorzulegen. Mögliche Risiken werden sich damit besser bewerten und minimieren lassen.

Was heißt das für den Arbeitsschutz, wenn neue Technologien eingeführt werden? 

Es wurde festgestellt, dass die bewährten Schutzmaßnahmen für den Umgang mit Stäuben auch bei Tätigkeiten mit Nanopartikeln wirken.

Grundsätzliche Schutzmaßnahmen am Beispiel Nanotechnologien

In der keramischen und der Glasindustrie sind zahlreiche Tätigkeiten mit einer Staubentwicklung verbunden. Für die in der Branche typischen Stäube gibt es bewährte Schutzmaßnahmen. 

Substitution

Bei der Auswahl von Staubschutzmaßnahmen ist immer die Reihenfolge „STOP“ (S = Substitution, T = technische, O = organisatorische und P = persönliche Maßnahmen) zu beachten. Diese grundlegende Vorgehensweise beim Staubschutz ist in der Gefahrstoffverordnung festgelegt. Danach ist zu prüfen, ob Stoffe mit einem geringeren gesundheitlichen Risiko verwendet werden können (Substitutionsgebot). Dies ist im Falle von Nanomaterialien nicht immer möglich, da sie der wesentliche Bestandteil im Rohstoff sind, der bestimmte Produkteigenschaften erst ermöglicht.

Primäre Technische Maßnahmen

Arbeitsverfahren sind so zu gestalten, dass gefährliche Schwebstoffe nicht frei werden. Ein Entweichen entstehender Stäube kann zum Beispiel durch staubdichte Anlagen oder durch Vakuumbetrieb erreicht werden. Die Gestaltung der Arbeitsverfahren ist deshalb zu überprüfen. 

Sekundäre Maßnahmen

Nach dem Stand der Technik ist das Freisetzen von Staub, zum Beispiel beim Dosieren, Abfüllen oder Reinigen, nicht sicher vermeidbar. Deshalb muss eine möglichst vollständige Erfassung der Stäube bereits an der Austritts- oder Entstehungsstelle erfolgen. Wesentlich für eine gute Wirkung der Absaugung ist die Anpassung der Erfassungseinrichtung in ihrer Form und Anordnung an die jeweilige Art der Freisetzung und Ausbreitung der Teilchen. 

Organisatorische  Maßnahmen 

Auch hier gilt das SOS der Arbeitssicherheit: Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit! Dazu ist am besten ein Instandhaltungs- und Reinigungsplan aufzustellen, in dem die betroffenen Anlagenteile, die Wartungs-, Inspektions- und Reinigungsintervalle sowie die Verantwortlichkeiten festgelegt sind. Die Beseitigung von Verunreinigungen muss so staubarm wie möglich erfolgen. Fahrbare oder tragbare Industriestaubsauger haben sich zur Reinigung von Fußböden, Maschinen und Anlagen besonders in engen oder schwer zugänglichen Arbeitsbereichen bewährt. Für größere Flächen und zur Reinigung von Verkehrswegen sind Kehr-Saug-Maschinen einzusetzen. Besen oder gar Druckluft sind nicht geeignet und deshalb aus solchen Bereichen strikt zu verbannen!

Die Arbeitskleidung ist regelmäßig zu wechseln und zu reinigen. Eine private Reinigung verstaubter Arbeitskleidung ist unzweckmäßig und deshalb nach Möglichkeit zu vermeiden. Für den Betrieb ist ein Vertrag mit einer Wäscherei eine sachgerechte Lösung! Die Expositionszeit und die Anzahl der exponierten Personen sind zu minimieren. Der Zugang zu den betroffenen Arbeitsbereichen ist auf das unterwiesene Personal zu beschränken.

Personenbezogene Maßnahmen 

Bei technisch nicht auszuschließender Verstaubung bzw. Hautkontakt mit Nanopartikeln sind ein Atemschutz mit Partikelfilter (ab P2/FFP2), Schutzhandschuhe, eine geschlossene Schutzbrille und ein Schutzanzug mit Kapuze notwendig. Die betroffenen Beschäftigten sind in der richtigen Benutzung der persönlichen Schutzausrüstung zu unterweisen.

Bei Tätigkeiten mit Nanopartikeln empfehlen wir, nach dem Vorsorgeprinzip zu arbeiten. Den Mitarbeitenden muss in der Unterweisung im Rahmen der arbeitsmedizinischen und toxikologischen Beratung mitgeteilt werden, wenn sie es mit Nanopartikeln zu tun haben. Aufgrund der nicht vollständig bekannten Eigenschaften von Nanopartikeln ist es umso wichtiger, vorhandenen Atemschutz zu verwenden.

Als Alternative zur P2/FFP2-Maske bieten sich Gebläsehelme oder -hauben mit tragbarem Gebläsefiltergerät oder mit Druckluftversorgung an (TH2P bzw. TH3P). Mit diesen ist sicheres und belastungsarmes Arbeiten möglich, da hier nicht nur die Atmungsorgane, sondern der gesamte Kopf vor Verstaubung geschützt wird. Gebläseeinheiten, die nur für Partikel ausgelegt wurden, sind deutlich leichter, kleiner und günstiger als solche, die auch für den Einbau von Gasfiltern geeignet sind. In der Branche Glas und Keramik wird häufig nur ein Partikelfilter benötigt. Einige Hersteller bieten für die Gebläseeinheiten auch Rückengestelle mit einem verbesserten Tragekomfort an. Hauben können zudem von Bart- und Brillenträgern ohne Verlust der Schutzwirkung uneingeschränkt genutzt werden. Bei der Anschaffung ist auf die CE-Kennzeichnung des Gerätes zu achten. Die Beschäftigten sind hinsichtlich der Nutzung praktisch zu unterweisen.

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