Arbeitsschutzrecht – Verantwortung haben und wahrnehmen

Die in der Produktion typischen Gefährdungen, unter anderem bei der Handhabung von Maschinen, bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen und beim innerbetrieblichen Transport, bleiben trotz kontinuierlicher Verbesserung im Arbeitsschutz tägliche Realität. Nach wie vor ereignen sich schwere oder tödliche Arbeitsunfälle. In diesen Fällen stellt sich die Frage nach Ursachen und Verursachern – also nach der Verantwortung – im Arbeitsschutz. 

Was bedeutet es, Verantwortung im Arbeitsschutz zu haben?

Verantwortung zu haben, heißt zweierlei. Zum einen, Adressat bestimmter Pflichten und Aufgaben zu sein. Solche ergeben sich vor allem aus gesetzlichen Vorgaben. Da die für eine Unternehmensart geltenden Vorschriften und Vorgaben recht vielfältig und umfangreich sein können (Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, technische Regeln), benötigen Unternehmen qualifiziertes Führungspersonal in Fragen des Arbeitsschutzes und darüber hinaus eine kompetente Beratung durch Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte.

Verantwortlich im Rechtssinne ist zum anderen aber nur derjenige, der auch dafür einzustehen hat, also die rechtlichen Konsequenzen tragen muss, wenn sich aufgrund der Missachtung von Arbeitsschutzpflichten Arbeitsunfälle ereignen. Einstehen müssen betriebliche Vorgesetzte für die Entscheidungen, die sie aufgrund ihres Weisungsrechts im Rahmen ihres personellen, räumlichen beziehungsweise fachlichen Zuständigkeitsbereichs treffen. Bei einem Sicherheitsbeauftragten ist dies beispielsweise nicht der Fall, weil er keine Entscheidungen selbst trifft, sondern nur hinweist und berät.

Die Verantwortung folgt dem Weisungsrecht.

Wer ist innerhalb der Unternehmenshierarchie wofür verantwortlich?

Wer ist wofür verantwortlich?

Oberste Führungsebene 

Grundsätzlich ist nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) der Arbeitgeber verantwortlich im Sinne einer grundlegenden Maßnahmen- und Organisationsverantwortung. Der Arbeitsschutz ist danach als ein weiterer Geschäftsprozess neben dem eigentlichen Unternehmensinhalt anzusehen und damit bei der obersten Führungsebene angesiedelt, zum Beispiel bei der Funktion eines GmbH-Geschäftsführers.

Höhere Führungsebene 

In größeren Unternehmen mit einer mehrstufigen Unternehmenshierarchie stellt sich die Frage, wer auf welcher Ebene welche Arbeitsschutzpflichten innehat. Nach dem ArbSchG sind neben dem Arbeitgeber unter anderem auch Personen verantwortlich, die mit der Leitung eines Unternehmens oder Betriebes beauftragt sind. Neben dem Werksleiter können zu dieser Gruppe auch Personen gehören, die einen räumlich oder organisatorisch getrennten Betriebsteil leiten, wie zum Beispiel die Produktions- oder Fuhrparkleitung. Sie tragen Verantwortung für den Arbeitsschutz in ihrem Bereich einfach aufgrund der Funktion, die sie innehaben, ohne dass es dafür einer expliziten Pflichtenübertragung bedarf. Sie haben originäre Vorgesetztenpflichten.

Da es der Produktionsleitung, ähnlich wie auch der Unternehmens- und Werksleitung, mangels Zeit oder fachlicher Kompetenz in der Regel nicht möglich ist, alle relevanten Entscheidungen bis in die unterste Unternehmensebene hinein selbst zu treffen, können und müssen sie Pflichten delegieren. Arbeitgeberpflichten dürfen jedoch nur bei fachlicher Eignung und Zuverlässigkeit des Pflichtennehmers übertragen werden. 

Mittlere und untere Führungsebene

So ist es sinnvoll, grundlegende Pflichten wie zum Beispiel die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung oder von Unterweisungen auf die mittlere und untere Führungsebene, beispielsweise Schichtleiter, Vorarbeiter oder Meister, schriftlich und konkret zu übertragen. Sie haben die ausreichende Nähe zum Produktionsprozess und damit die erforderliche Kenntnis relevanter Gefährdungen. Dabei darf nicht übersehen werden, dass auch diese Personengruppe, unabhängig von einer Pflichtendelegation, originäre Vorgesetztenpflichten innehat.

Ein Dilemma für Führungskräfte der mittleren und unteren Führungsebene kann darin liegen, dass ihnen von höherer Ebene sicherheitswidrige Vorgaben gemacht werden. Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz Zeitarbeitsbeschäftigter ohne ausreichende Sprachkenntnisse und das somit fehlende Verständnis sicherheitsrelevanter Anweisungen und Unterweisungen. Eine Schichtleitung, die durch die Betriebsleitung aufgefordert wird, diese Beschäftigten einzusetzen, muss nachhaltig und deutlich vor deren Einsatz warnen. Da die Sicherheit und Gesundheit der Betroffenen gefährdet ist, handelt es sich um eine sicherheitswidrige Weisung im Sinne der DGUV Vorschrift 1. Das bedeutet, dass der Schichtleiter deren Einsatz sogar verweigern muss.

Rechtliche Konsequenzen

Rechtsansprüche bei schuldhaftem Verstoß gegen Arbeitsschutzpflichten kommen aus unterschiedlichen Richtungen: strafrechtliche Ahndung, Regressnahme durch die Berufsgenossenschaft oder auch arbeitsrechtliche Sanktionen. Dabei können nicht immer nur Einzelpersonen aus der Reihe der Führungskräfte betroffen sein, sondern es kann auch zu einer Haftung mehrerer Führungskräfte aus unterschiedlichen Ebenen kommen. 

So geschehen nach einem Arbeitsunfall in einem flachglasbearbeitenden Unternehmen: Dort wurde ein Auszubildender bei der Bedienung eines Glasbearbeitungszentrums von einem beweglichen Maschinenkopf erfasst und eingeklemmt. Er verstarb an den erlittenen Kopfverletzungen. Ursache für diesen Arbeitsunfall war die Manipulation der Sicherheitseinrichtung. Im anschließenden Strafprozess wurden zwei Geschäftsführer, ein Produktionsleiter und der Instandhaltungsleiter unter anderem wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, weil sie wissentlich den Auszubildenden an der unsicheren Maschine arbeiten ließen (LG Osnabrück Urt. v. 20.9.2013 – 10 Kls 16/13).

Der Kommentar des Experten

Um neben dem persönlichen Leid, das mit Arbeitsunfällen verbunden ist, auch rechtliche Konsequenzen zu vermeiden, sollten Unternehmen ausreichend Zeit und Ressourcen in die Organisation ihres betrieblichen Arbeitsschutzes investieren. Für den Aufbau einer erfolgreichen Arbeitsschutzorganisation muss eine gesundheits- und sicherheitsorientierte Führungs- und Präventionskultur im Unternehmen etabliert und gelebt werden. Es reicht nicht aus, Verantwortung zu haben, sie muss auch ausgeübt werden.

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