Die Verwendung von asbesthaltigen Materialien ist seit fast 30 Jahren verboten. Allerdings stellt der gefährliche Stoff auch heute noch bei Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten an älteren Gebäuden eine Herausforderung dar. So findet sich Asbest beispielsweise noch in Putzen, Spachtelmassen, Fliesenklebern oder Fensterkitt. Bei Arbeiten an asbesthaltigen Bauteilen erlaubt die Gefahrstoffverordnung allerdings „emissionsarme Tätigkeiten“. Inzwischen gibt es engagierte Lösungen, diese Tätigkeiten so sicher zu gestalten, dass weder Personen noch die Umwelt geschädigt werden.
Asbest galt über Jahrzehnte als eine Art „Wunderwerkstoff“ und wurde daher in verschiedensten Bereichen eingesetzt. Seit Herbst 1993 gilt in Deutschland allerdings ein Verbot, asbesthaltige Materialien neu einzubauen. Alles, was zu diesem Zeitpunkt bereits in Gebäuden vorhanden war, darf bis zu dessen Nutzungsende noch verwendet werden. Trotz aller Bemühungen, zum Beispiel Spritzasbest aus den Gebäuden zu entfernen, sind die gefährlichen Fasern deshalb noch immer an Wänden und Dächern vorzufinden. Daher stellen Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten (ASI-Arbeiten) an asbesthaltigen Materialien weiterhin eine Herausforderung dar. Insbesondere dürfen bei entsprechenden Tätigkeiten die Sicherheit und die Gesundheit von Beschäftigten, aber auch Privatpersonen nicht gefährdet werden.
Putze, Spachtelmassen und Fliesenkleber (PSF)
Im Juni 2005 ist mit einem Diskussionspapier des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) und des Gesamtverbands Schadstoffsanierung (GVSS) das Thema PSF wieder in den Fokus gerückt worden. Dabei handelt es sich um punktuelle, linienhafte und flächige Anwendungen, die häufig von außen nicht zu erkennen sind und deren Asbestgehalt stark schwankt. Somit wird beispielsweise das Dosensenken oder das Schlitzen von Leitungen im Elektrohandwerk bezüglich Asbests gewissermaßen zur Lotterie.
Nationaler Asbestdialog
Vonseiten des Gesetzgebers wurde reagiert und der Nationale Asbestdialog ins Leben gerufen. Dort haben sich vor allem das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (zuständig für das Thema Abfall), das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (zuständig für das Bauwesen) und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (zuständig für den Arbeitsschutz) engagiert. Zum Nationalen Asbestdialog waren auch die betroffenen Verbände und Organisationen eingeladen, darunter auch Unfallversicherungsträger (UVT) und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV). Dabei ging es vor allem um folgende Fragen:
- Wie darf und kann an PSF gearbeitet werden?
- Welche Konsequenzen hat dies für private und gewerbliche Eigentümerinnen und Eigentümer von Immobilien?
- Welche Konsequenzen ergeben sich für Mieterinnen und Mieter?
- Wie dürfen Abfälle entsorgt werden?
Die Ergebnisse des Dialogs fließen in die Neufassung der Gefahrstoffverordnung ein. Auch die anderen Bereiche wollen die Ergebnisse in ihre Rechtstexte integrieren.
Emissionsarme Verfahren
Aus Sicht des Arbeitsschutzes musste geklärt werden, welche Arbeiten legal ausgeführt werden dürfen und welche Randbedingungen dafür erfüllt sein müssen. In der derzeit geltenden Gefahrstoffverordnung sind Instandhaltungsarbeiten an asbesthaltigen Materialien, bei denen Oberflächen abgetragen werden, nur möglich, wenn es sich um sogenannte „emissionsarme Tätigkeiten“ handelt. Dazu zählen Tätigkeiten, bei denen die Akzeptanzkonzentration von 10.000 F/m³ eingehalten wird und für die möglichst genau die einzelnen Tätigkeitsschritte während der Arbeiten beschrieben sind. Solche Verfahren können sowohl von den Ländern als auch den UVT anerkannt werden. Die Schritte für eine Anerkennung von emissionsarmen Verfahren durch die UVT werden in der DGUV Information 201-012 „Emissionsarme Verfahren nach TRGS 519 für Tätigkeiten an asbesthaltigen Materialien“ beschrieben. Eine Liste, in der alle derzeit anwendbaren Verfahren veröffentlicht sind, wird auf den Internetseiten des Instituts für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) geführt
(www.dguv.de/ifa -> Praxishilfen -> Praxishilfen: Gefahrstoffe -> Asbestsanierung -> Aktuelle Ergänzungen).
Instandhaltung
Sowohl die UVT als auch die Fachleute der Länder haben rasch erkannt, dass Instandhaltungsarbeiten auch an asbesthaltigen PSF notwendig sind. Da sich der Instandhaltungsbegriff im derzeitigen Regelwerk ausschließlich auf das asbesthaltige Produkt bezieht, wäre zum Beispiel das Setzen einer Steckdose und der zugehörigen Leitung in einem asbesthaltigen Wandputz keine Instandhaltungsarbeit. Es handelt sich allerdings um eine Instandhaltungsarbeit an dem Gebäude. Dies hat der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) aufgegriffen und seine Leitlinien zur Gefahrstoffverordnung im Jahr 2018 um die funktionale Instandhaltung von Gebäudeteilen erweitert. Somit gibt es nunmehr ein einheitliches Vorgehen, wie diese Tätigkeiten einzuschätzen sind.
Da dadurch die Randbedingungen klar waren, konnten inzwischen einige Verfahren, vor allem zum flächigen Entfernen von Wandputzen, als emissionsarm anerkannt werden. Bereits zuvor wurden Arbeitsverfahren anerkannt, mit denen stellenweise Putz entfernt oder aber Löcher in asbesthaltige Putze gebohrt werden konnten. Weitere befinden sich in der Prüfung.
Messprogramm der Unfallversicherungsträger
Parallel dazu legten die UVT ein Messprogramm mit dem Titel „Asbest in Putzen und Spachtelmassen“ auf, bei dem unter anderem überprüft werden soll, welche Tätigkeiten an PSF als emissionsarmes Verfahren anerkannt werden können. Neben Asbest können bei den Tätigkeiten auch weitere Gefahrstoffe, wie zum Beispiel alveolengängiger Staub und Quarzstaub, auftreten, bei denen das Einhalten der jeweiligen Grenzwerte ebenfalls mit großem Aufwand verbunden ist. Durch das Messprogramm soll daher auch ein Überblick gewonnen werden, wie hoch die Staubbelastungen abhängig von den Tätigkeiten und von den eingesetzten Schutzmaßnahmen zur Stauberfassung am Arbeitsplatz sind.
Asbesthaltiger Fensterkitt
Auch andere Asbestfundstellen führten in den letzten Jahren zur Entwicklung von anerkannten emissionsarmen Verfahren. So hat der Bundesinnungsverband des Glaserhandwerks ein Verfahren entwickelt, bei dem asbesthaltiger Fensterkitt emissionsarm aus dem Glasfalz von Fensterflügeln und Festverglasungen entfernt werden kann (emissionsarmes Verfahren BT 42). Dabei werden ausschließlich Handwerkzeuge zum Aushauen und Schneiden verwendet, keine elektrisch betriebenen fräsenden, oszillierenden oder schleifenden Maschinen. In der TRGS 519 wurde im Jahr 2019 die Möglichkeit geschaffen, die auf der Baustelle verantwortliche Person speziell zu anerkannten emissionsarmen Verfahren zu schulen. Dies wurde vom Verband genutzt, um zusätzlich zum technischen Verfahren ein Qualifikationsmodul zu erarbeiten, mit dem die verantwortliche Person speziell für das Entfernen asbesthaltigen Fensterkitts geschult werden kann. Auf eine umfassendere Sachkundeschulung kann damit verzichtet werden.
Fazit
Das Problem, dass Asbest noch immer in vielen Bereichen vorzufinden ist, ist noch nicht gelöst. Allerdings gibt es engagierte Lösungen, die Tätigkeiten sicher zu gestalten, sodass weder die Beschäftigten noch die späteren Nutzer und Nutzerinnen oder die Umwelt geschädigt werden.