Impfstoff-Ampullen – Rohrglas für Lebensretter

Immer, wenn ein Impfstoff von BioNTech, Moderna oder AstraZeneca die Arztpraxen oder Impfzentren erreicht, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das Glas­fläschchen der Impfampullen von einer deutschen Firma stammt. Der Werkstoff, der hier zum Einsatz kommt, wurde bereits vor über 100 Jahren entwickelt. 

Glas – die erste Wahl für pharmazeutische Verpackungen

Einstellen der Brenner an einer Rundläufermaschine

Das hochreine Borosilikatglas wurde 1887 von Otto Schott in Jena entwickelt. Bereits 1911 hatte der Unternehmer das Glasrohr FIOLAX zur Fertigung von Ampullen und Fläschchen (lat. „Fiola“) für Arzneimittel am Markt eingeführt. In Zeiten einer Pandemie ist es heute – 110 Jahre später – gefragter denn je. Als Verpackungsmittel wurde Glas lange Zeit totgesagt. Doch inzwischen kann der Werkstoff in der Pharmaindustrie wieder deutliche Zuwächse verzeichnen. Gegenüber dem konkurrierenden Kunststoff hat Glas große Vorteile.

Das verwendete Glas ist aus wenigen Komponenten zusammengesetzt, was sichere Aussagen über die chemische Resistenz und damit über den Schutz von Medikamenten ermöglicht. Jegliche Wechselwirkung zwischen Medikament und Glasbehälter wird vermieden. Es ist chemisch sehr beständig; nur Phosphorsäure, konzentrierte Flusssäure und starke Laugen können ihm etwas anhaben. Insbesondere große Temperaturschwankungen kann dieses Glas vertragen. Der Grund hierfür ist der äußerst kleine Wärmeausdehnungskoeffizient. Das macht es zum idealen Material für die Abfüllung von Covid-19-Impfstoffen. Die Verwender können zuverlässige Empfehlungen über die Haltbarkeit des Inhalts geben. Zudem ist Glas sehr gut sterilisierbar, absolut gasdicht und widersteht hohem Innendruck, speziell bei Verpackungen aus Rohrglas. Nicht zuletzt sprechen auch ökologische Aspekte für das sehr gut recycelbare Verpackungsmaterial.

Bevor der Impfstoff in die Verpackung eingefüllt werden kann, muss aus dem Glasrohr eine Phiole geformt werden. Diese Fertigung erfolgt ebenfalls durch verschiedene Unternehmen in Deutschland. Pharmaglasfläschchen werden aus technischen Gründen an Maschinen mit offenen Flammen produziert. Mit speziellen Brennern werden Gewindeflaschen, Injektionsflaschen, Tablettenröhrchen und andere Glasbehältnisse geformt. Die Glasrohre werden auf die sogenannte Rundläufermaschine aufgesteckt. Der Rundläufer dreht sich und das Glas wird an Flammen mit unterschiedlichen Hitzegraden geführt. Die Flammen erreichen Temperaturen von bis zu 1.100 °C. Bei jedem Schritt wird das erweichte Glas von einem speziellen Werkzeug bearbeitet. Hier müssen die Beschäftigten mit Schutzkittel und Haube arbeiten. Verunreinigungen der Gläser durch Haare, Staub oder Schmutz werden konsequent unterbunden. Am Ende der Produktionslinie herrscht Reinraumqualität, denn als Primärpackmittel kommen die Fläschchen in direkten Kontakt mit den sensiblen Arzneimitteln.

Hohe Anforderungen an Qualität und Sicherheit

Sowohl die sehr hohen Qualitätsanforderungen an die Ware als auch die allgemeinen sowie speziellen Maßnahmen für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten stellen die Führungskräfte dieser Unternehmen täglich vor eine Herausforderung. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen mit höchster Sorgfalt und Umsicht an den Maschinen und mit dem heißen Glas arbeiten. Deshalb ist das hier eingesetzte Personal speziell qualifiziert. Die umfangreichen Qualifikationsprogramme erfolgen direkt in den einzelnen Unternehmen. Zur Standardausrüstung gehören persönliche Schutzausrüstungen wie zum Beispiel Schnittschutzhandschuhe, Schnittschutzhosen, Schutzbrillen und spezielle Glasbläserbrillen. Diese schützen die Augen vor Schäden durch das sehr helle Licht der Natriumflamme. 

Gefährdung durch IR- und UV-Strahlung

Im Bereich von glühenden Massen, die sowohl in der Glas- als auch in der Keramikindustrie auftreten, kommt es zur Einwirkung von Hitze und künstlicher optischer Strahlung. Beim Einsatz von Gasbrennern geht von der Gasflamme neben sichtbarer (VIS) infrarote (IR) und ultra­violette Strahlung (UV) aus. IR-Strahlung ist jene optische Strahlung, die für wohlige Wärme auf der Haut sorgt. Sie wirkt aber genauso auf die Augen und kann unter anderem zur Linsen­trübung (grauer Star) beitragen. Dabei ruft eine Überexposition der Augen mit IR-Strahlung, wie es bei glühendem Glas der Fall ist, keine akute Schädigung hervor. Vielmehr erzeugt die chronische Überexposition Augenschäden, die erst nach Jahren sichtbar werden. UV-Strahlung wird in den oberen Schichten der Haut absorbiert und kann dabei zu Schädigungen führen. Trifft UV-Strahlung auf die Haut, dann kann es kurzfristig zu einem Sonnenbrand und langfristig zu Hautalterung und Hautkrebs kommen. Ob und wie weit eindringende UV-Strahlen Gewebe schädigen, hängt davon ab, wie intensiv die Strahlung ist und wie lange ihr die Beschäftigten ausgesetzt sind. Grundsätzlich gilt: Je größer die Flamme ist und je länger sich die Beschäftigten in ihrer unmittelbaren Nähe aufhalten, desto höher ist die UV-Belastung.

Gesundheitsschäden durch Hitze

Glasrohre sind die Grundlage für die Fertigung der Pharmaglasfläschchen.

Häufig kommt es bei kombinierten Belastungen aus Hitze, körperlicher Arbeit und gegebenenfalls Bekleidung (Schutzbekleidung) zu einer Erwärmung des Körpers und damit zu einem Anstieg der Körpertemperatur. Infolgedessen können Gesundheitsschäden entstehen. Auch bei kurzzeitiger Beschäftigung in einer Hitzeumgebung kann ein Gesundheitsrisiko auftreten. Arbeitssicherheit und Gesundheitsvorsorge müssen daher ein System bilden, bei dem viele Maßnahmen ineinandergreifen.

Hygieneregeln sind weiterhin wichtig

Am Ende der Fertigung wird die Einhaltung der hohen Qualitätsanforderungen an die Verpackung des Impfstoffs kontrolliert.

Obwohl die Impfkampagne in Deutschland – auch dank geeigneter Glasampullen – derzeit gut voranschreitet, ist die Corona-Pandemie aktuell noch nicht überwunden. Virologen mahnen weiterhin zur Wachsamkeit angesichts neuer Mutationen wie etwa der indischen ­„Del­ta“-Variante. Diese breitet sich inzwischen auch in Europa aus und könnte in der zweiten Jahreshälfte die Fallzahlen wieder steigen lassen. Deshalb müssen die Unternehmen auch weiterhin zusätzliche Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung beachten. 

Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel der Bundesregierung gibt Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern Sicherheit bei der Auswahl und Umsetzung geeigneter Maßnahmen zum betrieblichen Infektionsschutz. Hierzu zählen zum Beispiel zusätzliche Hygieneregeln, Abstandsgebote und organisatorische Regelungen zur Minimierung von Kontakten zwischen Beschäftigten sowie zu Kunden und Geschäftspartnern. Das Präventionsfeld Glas-Keramik hat dazu korrespondierend eine auf die Branche zugeschnittene Handlungshilfe entwickelt. Auf diese Weise unterstützt die VBG die betroffenen Mitgliedsunternehmen mit Informationen zu Verantwortlichkeiten, Pflichten und Verhaltensweisen sowie Hinweisen zur Umsetzung von Maßnahmen. Jedes Unternehmen ist dazu verpflichtet, ein individuelles Hygienekonzept umzusetzen und an die jeweils geltenden Regelungen anzupassen. Bei Einhaltung der Arbeitsschutzregel können Unternehmen davon ausgehen, dass sie die Anforderungen des Arbeitsschutz- und des Infektionsschutzgesetzes an die aktuelle epidemische Lage erfüllen.

Startschuss für Impfungen in den Betrieben

Am Mainzer Standort der Schott AG haben bis Ende Juni bereits rund 1.500 Beschäftigte ihre erste Impfdosis erhalten.

Die Entwicklung wirksamer Impfstoffe stellt einen sehr wichtigen Schritt zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie dar. Sich impfen zu lassen bedeutet nicht nur, sich selbst gut gegen eine Covid-19-Erkrankung zu schützen. Es bedeutet auch, dazu beizutragen, die weitere Verbreitung der Infektionen zu reduzieren.

Hierbei nehmen auch die Betriebsärzte eine wichtige Rolle ein. Denn seit Anfang Juni dürfen sie ebenfalls gegen Corona impfen und sind froh, dass auch sie jetzt in die Impfkampagne eingebunden werden. Derzeit ist die verfügbare Menge an Impfstoff noch das entscheidende Nadelöhr. Sobald jedoch ausreichend Vakzin zur Verfügung steht, kann auch in den Unternehmen der Impfturbo gestartet werden.

Ein gutes Beispiel hierfür ist die Firma Schott, der größte deutsche Glasrohrproduzent. Dort ist in den letzten Wochen die Impfkampagne erfolgreich angelaufen. Die Leitende Werks­ärztin, Frau Dr. Margit Emmerich, freute sich gleich zu Beginn über eine größere Menge an Impfstoff als ursprünglich zugesagt worden war. „Dadurch konnten wir bereits bis Ende Juni alle impfwilligen Beschäftigten an unserem Mainzer Standort mit der ersten Dosis versorgen. Somit haben jetzt rund 1.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen ersten Schutz gegen das Coronavirus erhalten.“ Ein wichtiger Startschuss, denn jede Spritze zählt – auf dem Weg raus aus der Pandemie.

Drei Fragen an die Betriebsärztin

Frau Dr. Emmerich, welche Rolle übernehmen die Betriebsärzte bei der Pandemiebekämpfung?

Unsere Erfahrung ist, dass die Beschäftigten ein sehr großes Vertrauen zu den Werksärzten haben. Unsere Beratungs­angebote, unter anderem zu den Vorteilen einer Impfung, zu den verschiedenen Impfstoffen, zu eventuellen Nebenwirkungen und nicht zuletzt zu einer Impf­empfehlung werden gern angenommen. 

Wie haben Sie die Beschäftigten informiert?

Wir haben unter anderem sechs Kurz­­videos zu den wichtigsten Corona-Themen selbst gedreht. Inhalte waren beispielsweise der Schutz vor dem Virus, die Folgen der Erkrankung oder die Wirkungsweise der verschiedenen Impfstoffe. Zur Vorbereitung auf die Impfkampagne haben wir von Anfang an die Beschäftigten eingebunden. Neben den Videos und unserem Newsletter haben wir bei der letzten Betriebs­versammlung ausführlich berichtet und über unser Vorgehen informiert.

Welche Herausforderungen gab es? 

Da die Werksärzte nicht an das Abrechnungssystem der Kassenärzte angeschlos­sen sind, mussten wir für die Dokumen­ta­tion und Meldung an das RKI ein se­parates System realisieren. Während der Impfung galt es, zusätzliche Kontakte, etwa durch ­Wartezeiten, zu vermeiden. Außerdem haben wir bei der Zusammen­stellung der Personen­gruppen mögliche Ausfälle in den ­Abteilungen durch ­Unwohlsein nach der Impfung berücksichtigt.

Dr. med. Margit Emmerich
Dr. med. Margit Emmerich, Leiterin Medizin & Prävention SCHOTT AG

Artikel teilen