Staubschutz – so einfach ist das?!

Scheuersaugmaschine zur Feuchtreinigung von Fußböden.

Nicht immer lässt sich verhindern, dass Staub am Arbeitsplatz entsteht. In solchen Fällen kommt es auf wirksamen Staubschutz für die Beschäftigten an. Die Herausforderung besteht darin, die einzelnen staubmindernden Maßnahmen und Techniken zu einem Gesamtkonzept zusammenzuführen. Dadurch können sie sich ergänzen, ineinandergreifen und ihre optimale Wirkung entfalten.

Staub ist anders als die meisten anderen Gefahrstoffe. Vom gewöhnlichen, relativ harmlosen Hausstaub bis hin zu hochtoxi­schen krebserzeugenden Stäuben kann Staub ein breites Spektrum von gefährlichen Eigenschaften besitzen. Zudem handelt es sich in der Praxis oft um Mischstäube, also um Stäube, die aus mehreren Einzelstoffen mit unterschiedlichen gefährlichen Eigenschaften bestehen. 

Stäube sind in der Luft feinstverteilte feste Teilchen, die durch mechanische Bearbeitung (zum Beispiel durch Zerkleinern oder Oberflächenbearbeitung) oder Aufwirbeln (zum Beispiel durch Abblasen mit Druckluft oder Trockenkehren mit dem Besen) entstehen. Ein alter Bekannter in der Glas- und vor allem der keramischen Industrie ist quarzhaltiger Staub. Wird er in feinverteilter Form – als Quarzfeinstaub – eingeatmet, kann er schwere Lungenerkrankungen wie Bronchitis, Silikose oder auch Lungenkrebs verursachen. 

Quarzfeinstaub kann krank machen

Die Silikose (BK-Nr. 4101 und 4102) war eine der ersten in der Berufskrankheitenverordnung gelisteten berufsbedingten Erkrankungen. Die Bemühungen zu ihrer Eindämmung sind eine Erfolgsgeschichte: Die Zahl der schweren ­Silikoseerkrankungen in der Branche Glas und Keramik konnte in den letzten 65 Jahren durch konsequente Präventionsmaßnahmen von mehr als 800 Fällen auf etwa zehn Fälle pro Jahr reduziert werden. Es wäre aber völlig falsch, deshalb nun mit den Anstrengungen zur Staubbekämpfung nachzulassen oder gar diese ­Problematik abzuhaken.

Denn Quarzfeinstaub kann neben der Silikose noch weitere, teilweise schwere Atemwegserkrankungen auslösen. Für Beschäftigte, die aufgrund lang andauernder Belastung durch Quarzfeinstaub eine Silikose entwickelt haben, besteht in der Folge auch ein erhöhtes Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken. Auch diese Erkrankung wurde als BK-Nr. 4112 in die Berufskrankheitenverordnung aufgenommen. Von dieser BK wurden im Jahr 2019 bei der VBG 33 Fälle angezeigt. 

Neuere medizinische Erkenntnisse deuten außerdem darauf hin, dass eine langjährige Quarzfeinstaub-Exposition auch zu einer ­obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) führen kann, ganz unabhängig von einer Silikose. Im Sinne des Vorsorgegedankens ist es daher dringend geboten, das derzeitige Niveau des Staubschutzes in den Betrieben nicht nur zu halten, sondern weiterhin nachhaltig zu verbessern.

Das Regelwerk – die neue TRGS 559 „Quarzhaltiger Staub“

Vor dem Hintergrund der beschriebenen Gesundheitsrisiken durch quarzhaltige Stäube wurde 2016 vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) für Quarzfeinstaub – im Regelwerk als Quarz (A-Staub) bezeichnet – ein verbindlicher Beurteilungsmaßstab für ­50 µg/m³ in der Luft am Arbeitsplatz festgelegt. Im April 2020 wurde die neue Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 559 „Quarzhaltiger Staub“ veröffentlicht. Sie erläutert diesen Beurteilungsmaßstab und gibt praktische Hinweise zu dessen Anwendung. Den Arbeitsschutzexperten war allerdings klar, dass der Beurteilungsmaßstab in bestimmten Arbeitsbereichen – zum Beispiel bei der Gewinnung und Verarbeitung von mineralischen Rohstoffen und im Bau-Bereich – derzeit noch nicht überall unterschritten wird. Für diese Fälle eröffnet die TRGS die Möglichkeit, dies qualifiziert zu begründen (begründete Ausnahmen) und ein Schutzmaßnahmenkonzept zu erstellen, das innerhalb von drei Jahren zu einer Einhaltung des Beurteilungsmaßstabs führen soll.

Maßnahmen zur Staubbekämpfung – Altbewährtes und Neues

Für die Auslegung und Konstruktion von Absauganlagen sollten Fachfirmen herangezogen werden.

Die gute Nachricht ist: Die altbewährten Maßnahmen zum Staubschutz wirken nach wie vor, wenn sie dem Stand der Technik entsprechen und ihre sichere Funktion und Wirksamkeit regelmäßig kontrolliert wird. Die TRGS 559 enthält im Abschnitt 4 eine umfassende Zusammenstellung der anzuwendenden Schutzmaßnahmen. Wie immer ist mit dem STOP-Prinzip (S = Substitution, T = Technische, O = Organisatorische und P = Persönliche Maßnahmen) ihre Rangfolge vorgegeben. Bei quarzhaltigen Materialien und Stäuben wird eine Substitution nur in Ausnahmefällen möglich sein. Hier steht das S vor allem für die Verwendung staubarmer Materialien und Verfahren sowie für die Vermeidung von Staub­entwicklung allgemein. Staub, der nicht entsteht, muss auch nicht beseitigt werden.

Die Herausforderung besteht darin, die einzelnen staubmindernden Maßnahmen und Techniken nicht isoliert zu betrachten, sondern zu einem Gesamtkonzept zusammenzuführen. Dadurch können sie sich ergänzen, ineinandergreifen und ihre optimale Wirkung entfalten. Nur durch ganzheitliche Betrachtung der STOP-Maßnahmenkette und ihrer Schnittstellen in der Gefährdungsbeurteilung ist ein erfolgreicher und nachhaltiger Staubschutz möglich. Genau diese Überlegungen liegen der Forderung der TRGS 559 nach einem Schutzmaßnahmenkonzept zugrunde.

Spritzglasierkabine mit Rückwandabsaugung

Begründete Ausnahmen und Branchenlösungen

Staubarmes Befüllen von Mahlanlagen

Für Arbeitsbereiche, in denen der Beurteilungsmaßstab für Quarz (A-Staub) trotz Umsetzung der Maßnahmen nach Anhang I Nummer 2.3 GefStoffV und Einhaltung der branchenüblichen Betriebs- und Verfahrensweisen nicht eingehalten werden kann, verlangt die TRGS 559 zunächst eine Dokumentation und Begründung dieser Situation („begründete Ausnahme“ nach TRGS 559). Dann zeichnet sie einen Weg vor, auf welche Weise die Unterschreitung des Beurteilungsmaß­stabs erreicht werden soll (siehe Abbildung).

In der Praxis dürfte den betroffenen Betrieben die Beschreibung der Branchenüblichen Betriebs- und Verfahrensweisen (BBV) inklusive der damit verbundenen technischen und organisatorischen Schutzmaßnahmen die größten Probleme bereiten. Die TRGS 559 verlangt dazu nämlich die Ermittlung und Beschreibung des Expositionsniveaus, bevorzugt anhand von Staubmesswerten (siehe auch Seite 8 in dieser Ausgabe). Ein einzelner Messwert wird dazu in der Regel nicht ausreichen.

Zur Unterstützung der Betriebe wird das Präventionsfeld Glas und Keramik demnächst Branchenlösungen für die Keramische Industrie veröffentlichen. Basierend auf den in der IFA-Datenbank „MEGA“ (Messdaten zur Exposition gegenüber Gefahrstoffen am Arbeitsplatz) gesammelten Staubmessergebnissen werden dort begründete Ausnahmen für die Branche beschrieben. Ergänzend werden spezifische Schutzmaßnahmen und Optimierungsmöglichkeiten für die Erstellung eines Schutzmaßnahmenkonzepts vorgestellt.

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