Best Practice – Das richtige Licht zur richtigen Zeit

Über einen Fotorezeptor im Auge (ipRGC) gleicht der zentrale Taktgeber des Gehirns (SCN) die inneren körperlichen Abläufe an den äußeren Hell-Dunkel-Rhythmus an (ipRGC = intrinsisch photosensitive Ganglienzellen; SCN = suprachiasmatischer Kern).

Für den Menschen ist Licht nicht allein für das Sehen von Bedeutung. Über spezielle Rezeptoren in der Netzhaut vermag Licht auch die geistige und ­seelische Verfassung sowie den Gesundheitszustand zu beeinflussen. Heutige Arbeitsstätten sind jedoch meist nicht nach diesen Aspekten ausgelegt. So führt ein nach konventionellen Maßstäben optimal ausgeleuchteter Arbeitsplatz nur selten zu ergonomisch optimalen Bedingungen – gerade im Schichtbetrieb. Die Bewertungskriterien weichen in mehrfacher Hinsicht von denen einer „klassischen“ Lichtplanung ab – denn das Tageslicht spielt dabei eine wichtige Rolle. 

Die meisten Beschäftigten halten sich zum überwiegenden Teil in Innenräumen auf. Weder Fenster noch Kunstlichtlösungen sind aber in der Regel danach bemessen, alle Aspekte der Wirkung von Licht zu berücksichtigen und zu nutzen. Junge Menschen können negative Effekte – zumindest kurzfristig – noch kompensieren. Langfristig können mit dem „falschen“ Licht jedoch eine Reihe gesundheitlich nachteiliger Folgen auftreten.

Mit steigendem Wissensstand wird diesem Thema im privaten und betrieblichen Alltag mehr und mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Sofern Tageslicht nicht genutzt werden kann, bietet die flexi­ble LED-Technik bei der Gestaltung einer optimalen Beleuchtung die besten Möglichkeiten. In Kombination mit kluger Steuertechnik wird das Licht abhängig von der Tageszeit variiert, vergleichbar mit den etablierten Nachtmodi moderner Smart­phones. Für Arbeitsstätten wird das Konzept einer auch auf die Gesundheit ausgelegten Beleuchtung als „Integrative Lighting“ oder „Human
Centric Lighting“ (HCL) bezeichnet.

Mehr als nur Sehen

Im Lauf der Evolution hat der Mensch eine innere biologische Uhr entwickelt, die alle wichtigen Vorgänge im Körper aufeinander abstimmt. Den wesentlichen Impuls für dieses circadiane System liefert der tägliche Wechsel von Hell und Dunkel. Vermittelt wird dieser über das menschliche Auge. Hier sitzen Rezeptoren, die besonders stark durch Licht mit hohem Blauanteil – also durch kaltweiße Lichtfarben – angeregt werden. Über diese Rezeptoren fließen die Informationen weiter zum zentralen Taktgeber der inneren Uhr im Gehirn. Dieser wiederum beeinflusst auf Zellebene genetische Prozesse. Auf Organebene werden damit beispielsweise der Stoffwechsel und das Immunsystem gesteuert oder die Stress­reaktion beeinflusst. Bewusst können wir diese Veränderungen wahrnehmen, weil sich unsere körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, die Aufmerksamkeit und die Stimmung verändern. 

Mit diesem Helligkeitssignal sorgt das Gehirn dafür, dass die inneren Abläufe zum äußeren Tag-Nacht-Rhythmus passen. Auch die Abwesenheit eines Reizes beeinflusst diesen Ablauf. Licht wirkt demnach immer, nicht nur bei einer auf die Gesundheit ausgelegten Beleuchtungslösung! Mit fortschreitendem Al­ter wird der ­Wirkpfad durch die Trübung der Augenmedien und eine generell niedrigere Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin belastet. Nimmt man dem autonomen Nervensystem die Information über den Stand der Außenzeit in besonderem Maße, wie es bei langjähriger Schichtarbeit der Fall ist, kann eine ganze Reihe von Krankheiten durch diese Chronodisruption ausgelöst werden – von neurologischen Störungen über Stoffwechselprobleme, Herz-Kreislauf-Störungen bis zu Krebs. Diese Erkrankungen sind oft nicht auf einzelne Auslöser zurückzuführen, sondern Resultat eines dauerhaft aus dem Takt gebrachten Systems.

Abbildung der gleichen Fabrikhalle nebeneinander mit unterschiedlichen Licht-Situationen.
Abbildung der gleichen Fabrikhalle nebeneinander mit unterschiedlichen Licht-Situationen.

Vergleich unterschiedlicher Lichtszenen in einer Schreinerei der IWL-Werkstätten in Landsberg am Lech. Links: Typische, neutralweiße Beleuchtung, die den Arbeitsplatz während des normalen Arbeitsbetriebs sehr energieeffizient ausleuchtet. Rechts: In den Morgen- und Vormittagsstunden wird eine kaltweiße Indirektlichtquelle dazugeschaltet, die den Beschäftigten hilft, fit zu bleiben, und die erwiesenermaßen den Nachtschlaf verbessert. 

Gesundheitsrelevante Planungsprinzipien

Worauf kommt es bei der Planung der richtigen Beleuchtung an und weshalb ist es zu kurz gegriffen, das Thema auf die Auswahl eines Produkts aus einem Katalog zu reduzieren? Die folgenden Prinzipien geben einen Überblick:

Zusammensetzung des Lichtspektrums typischer Lichtquellen gleicher Helligkeit. Im grünen Bereich des Spektrums sind die Sehzellen (vis) und im blauen Bereich die Rezeptoren der inneren Uhr (mel) besonders lichtempfindlich.

1. Beleuchtungsstärken: Die gesundheitliche Wirkung hängt maßgeblich von der Beleuchtungsstärke am Auge ab. Tageslichtöffnungen im Gesichtsfeld können daraufhin optimiert werden, Kunstlicht kann und soll ergänzen.

2. Lichtquellenspektrum: Tageslicht zeichnet sich durch einen hohen Blauanteil aus. Dieses Licht ist tagsüber ideal und wirkt deutlich stärker als eine warmweiße Lichtquelle bei gleicher Helligkeit. LEDs mit variabler Farbtemperatur erlauben ein angepasstes Spektrum. 

3. Lichtdosis: Hohe Lichtdosen am Vormittag und minimale Lichtdosen bei Nacht stellen die Anpassung an den Tag-Nacht-Rhythmus sicher.

4. Zeitpunkt: In den Dämmerungszeiten, in denen der Körper besonders empfindlich reagiert, kann mit einer sukzessive ab- beziehungsweise zunehmenden Lichtdosis die stärkste Anpassung bewirkt werden.

5. Lichthistorie: Je weniger Licht am Tag vorhanden ist, umso empfindlicher reagiert man auf Licht bei Nacht. Aufenthaltsräume können durch eine hohe Lichtexposition am Tag einen positiven Einfluss auf den gesamten Tagesrhythmus der Beschäftigten haben.

6. Räumliche Lichtverteilung: Untersuchungen zeigen, dass die Rezeptoren in der Netzhaut empfindlicher für das Licht aus dem oberen Gesichtsfeld sind. Hier kann der Planer den Reiz für den Tagfall maximieren oder im Nachtfall minimieren.

7. Tageslichtöffnungen: An Industriearbeitsplätzen wird nur selten das Potenzial von Tageslicht für die Beschäftigten voll ausgeschöpft – dabei kann und sollte Tageslicht den primären Beitrag leisten.

8. Reflexionseigenschaften: Werden „farbige“ Baumaterialien eingesetzt, wie Holz, Beton oder auch Wandfarben, muss die dadurch bewirkte Veränderung des Lichts berücksichtigt werden. 

9. Individuelle Faktoren: Veränderungen im Alter erfordern höhere Reizstärken für die positiven Wirkungen am Tag, gleichzeitig steigt die Blendempfindlichkeit. Auch Vorerkrankungen der Augen gilt es zu berücksichtigen.

HILFE FÜR DIE PLANUNG

Eine Hilfestellung bei der Planung sind erste nationale und internationale Standards (siehe Box). Darüber hinaus zeugen Positionspapiere von der Bedeutung des Themas, etwa von der Kommission Arbeitsschutz und Normung (KAN), der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und vom Ausschuss für Arbeitsstätten (ASTA). 

Projekte zu Licht und Gesundheit sind planbar, umsetzbar und nach Erkenntnissen in der Praxis auch erfolgreich. Es handelt sich um Lösungen, die auch auf die Sehaufgabe hervorragend angepasst sind. Mit dem richtigen Licht zur richtigen Zeit kann der Beleuchtung ein echter (r)evolutionärer Sprung gelingen. Es gilt, das vorhandene Wissen schon heute verantwortungsvoll in Arbeitsstätten anzuwenden. Davon profitieren sowohl Beschäftigte als auc

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