Arbeitsstättenverordnung – Dicke Luft am Arbeitsplatz?

Bei der Ermittlung der Luftqualität denkt man zuerst an Arbeitsplätze mit Gefahrstoffexposition in der Produktion. Aber auch in Büroräumen und Leitwarten kann die Atemluft zum Beispiel durch Stoffwechselprodukte der anwesenden Beschäftigten, Baumaterialien, Einrichtungsgegenstände oder Reinigungsmittel „verunreinigt“ werden. Die Luft wird „dicker“. Doch wie wird die Qualität der Raumluft sichergestellt und wie wird sie bewertet?

Für Arbeitsstätten, wie zum Beispiel Produktionshallen, Werkstätten und Büros, regelt das Arbeitsschutzgesetz mit den zugehörigen Verordnungen die Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und der Gesundheit der Beschäftigten. Anforderungen an die Lüftung werden in der Technischen Regel für Arbeitsstätten (ASR) A3.6 beschrieben. Welche Anforderungen ergeben sich hieraus an die Qualität der Raumluft?

Unabhängig von der Art des Arbeitsplatzes muss in Arbeitsräumen unter Berücksichtigung

  • des spezifischen Nutzungszwecks,
  • der Arbeitsverfahren,
  • der physischen Belastungen und
  • der Anzahl der Beschäftigten sowie der sonstigen anwesenden Personen

während der Nutzungsdauer ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft vorhanden sein.

Diese entspricht in der Regel der Außenluftqualität und ist daher durch eine für den Raum geeignete Lüftung zu erreichen. Sollte die Außenluft im Sinne des Immissionsschutzrechts unzulässig belastet oder erkennbar beeinträchtigt sein, zum Beispiel durch Fortluft aus Absaug- oder raumlufttechnischen Anlagen (RLT-Anlagen) oder starken Verkehr, sind im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung gesonderte Maßnahmen zu ergreifen.

Lüften – einfach und effektiv

Die Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung an die Luftqualität müssen auch in Leitwarten sichergestellt werden.

Die CO2-Konzentration ist ein anerkanntes Maß für die Bewertung der Luftqualität. Erfahrungsgemäß hat eine erhöhte CO2-Konzentration einen negativen Einfluss auf die Aufmerksamkeitsleistung. Die ASR A3.6 beschreibt ein dreistufiges Schutzmaßnahmenkonzept in Abhängigkeit von der CO2-Konzentration. Auch Feuchte-, Wärme- und Stofflasten, wie zum Beispiel Ausdünstungen aus Bauprodukten, Möbeln und Einrichtungsgegenständen, können die Raumluftqualität beeinträchtigen. Bei der Ableitung geeigneter Maßnahmen für Innenraumarbeitsplätze herrscht oftmals Unklarheit. Richtiges Lüften ist die schnellste und die einfachste Maßnahme. Die DGUV bietet seit Kurzem auch eine App (den „CO2-Timer“) an, mit der die optimale Dauer und Frequenz der Lüftung bestimmt werden kann.

Schutzmaßnahmen

Grundsätzlich sind in Arbeitsstätten nach dem STOP-Prinzip emissionsarme Bauprodukte und Materialien zu verwenden. Unter Berücksichtigung räumlicher und örtlicher Gegebenheiten, des Vorhandenseins einer technischen Lüftung sowie von Belastungen durch Produktionsprozesse (zum Beispiel aus benachbarten Produktionsbereichen) ist ein geeignetes Lüftungskonzept zu erstellen. Die regelmäßige Wartung und Prüfung der RLT-Anlagen ist unerlässlich für die Luftqualität. Zudem gilt auch hier: Wer seine Beschäftigten frühzeitig und aktiv einbindet, erleichtert die Akzeptanz der Maßnahmen und erhält Hinweise auf eventuelle Schwachstellen.

Bewertung der Innenraumluft

Für Innenräume, in denen keine Tätigkeiten mit Gefahrstoffen erfolgen, werden zur Beurteilung der Exposition Werte sehr unterschiedlicher Art und Herkunft herangezogen. Diese sind nicht in einer verbindlichen Regel zusammengefasst und haben keine einheitliche rechtliche Relevanz. Diese Werte besitzen, anders als zum Beispiel die Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) nach der TRGS 900, lediglich Empfehlungscharakter. In Deutschland werden zur Bewertung der Luftqualität im Innenraum Richtwerte (RW) des Ausschusses für Innenraumrichtwerte (AIR) herangezogen. Sie können als aktueller Stand von Wissenschaft und Technik betrachtet werden. Der „RW II“ stellt die Konzentration eines Stoffes dar, bei dessen Erreichen beziehungsweise Überschreiten unverzüglich zu handeln ist. Der Vorsorgerichtwert „RW I“ beschreibt hingegen die Konzentration eines Stoffes, bei der im Rahmen einer Einzelstoffbetrachtung auch dann keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erwarten sind, wenn ein Mensch diesem Stoff lebenslang ausgesetzt ist. Neben den Richtwerten wurden Leitwerte, wie die Leitwerte für CO2, als hygienisch begründete Beurteilungswerte eines Stoffes oder einer Stoffgruppe festgelegt.

Sofern kein RW festgelegt wurde, können zum Beispiel die statistisch abgeleiteten Innenraumarbeitsplatz-Referenzwerte der DGUV herangezogen werden. Bei diesen wird ohne toxikologische Bewertung angenommen, dass der in den untersuchten Räumen vorgefundene und nicht zu Erkrankungen und Beschwerden Anlass gebende „Normalzustand“ allgemein akzeptiert werden kann. Diese Referenzwerte ermöglichen – im Gegensatz zu den Richtwerten – keine Beurteilung der gesundheitlichen Gefährdung. Mit diesen Referenzwerten gleichen Fachleute die Ergebnisse ihrer Innenraumarbeitsplatzmessung ab und bewerten, ob der untersuchte Raum Auffälligkeiten aufweist.

Um „dicke Luft“ in Büros und Leitwarten mit typischen Innenraumlasten, insbesondere CO2, zu vermeiden, sind Schutzmaßnahmen nach der ArbStättV umzusetzen: lüften oder auf andere Weise für ausreichende Frischluft sorgen. Bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, die in der Branche im Labor oder in der Produktion vorkommen, sind zwingend die Schutzmaßnahmen nach der GefStoffV umzusetzen.

Eine Frage an die Expertin

Warum sind die Werte für Innen­räume und Tätigkeiten mit Gefahrstoffen für ein und denselben Stoff unterschiedlich hoch?

Die Richtwerte für Innenräume werden zur Bewertung der Raumluftqualität sowohl für den privaten Wohnbereich als auch für Innenraumarbeitsplätze herangezogen. Daher werden bei deren Ableitung nicht die gleichen Maßstäbe angelegt wie für AGWs. Letztere gelten für gesunde Beschäftigte, die an Arbeitsplätzen acht Stunden täglich für maximal 40 Stunden pro Woche einer erhöhten Gefahrstoffbelastung ausgesetzt sind. Sie erhalten im Gegensatz zur Allgemeinbevölkerung zudem eine engmaschige arbeitsmedizinische Betreuung.

Bei Innenraumrichtwerten wird eine 24-stündige lebenslange Exposition zugrunde gelegt. Neben gesunden Erwachsenen wurde bei der Ableitung der Richtwerte auch die Wirkung der Stoffe auf Kinder, Schwangere oder Ältere berücksichtigt. Es wird davon ausgegangen, dass die Personen einer Schadstoffbelastung dauerhaft ausgesetzt sein können, zum Beispiel in Wohn- und Schlafräumen. Da die Lebenszeit eines Menschen deutlich länger ist als die Lebensarbeitszeit, sind die Richtwerte für einen Stoff deutlich niedriger als der AGW.

Dr. Carina Jehn, VBG-Aufsichtsperson

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