Substitution prüfen – Heißendvergütung, ein notwendiges Übel?

Bei der Heißendvergütung entstehen chemische Gefährdungen für die Beschäftigten und Kosten für das Unternehmen.

Bei der sogenannten Heißendvergütung von Hohlglas werden unmittelbar nach der Formgebung Metalloxidschichten, in der Regel Zinnoxid, auf die Glasoberfläche aufgetragen. Diese Schichten dienen als
Haftvermittler für die bei der anschließenden Kalt­endvergütung aufgebrachte Wachsschicht. Diese dünnen Filme sind durchsichtig und schützen die Glasbehälter vor Abrieb
und Verkratzen. 

Das Zinnoxid wird durch Pyrolyse von Zinnverbindungen mittels Dampf oder Spray auf den heißen Glasoberflächen erzeugt. In älteren Verfahren wurde dabei meist Zinntetrachlorid verwendet. Bei diesem Verfahren entsteht Salzsäure, die Augen und Atemwege stark reizt. Da die Substanz einen stechenden Geruch verströmt, kann sie bereits unterhalb des Arbeitsplatzgrenzwertes (AGW) von 3 mg/m³ wahrgenommen werden.

Bei einem anderen Verfahren wird Monobutylzinntrichlorid (MBTC) durch Versprühen mit anschließendem Verdampfen auf die Glasbehälter aufgebracht. Für die dabei entstehenden zinnorganischen Verbindungen gilt ein AGW von 0,009 mg/m³, der in vielen Fällen nicht eingehalten werden kann. Zwar befindet sich direkt am Anwendungsort kein Dauerarbeitsplatz, aber durch die starken thermischen Luftströmungen wird das MBTC trotz lokaler Absaugung weiträumig im Bereich des Heißendes der Hütte verteilt. 

Betriebe, die MBTC einsetzen, müssen daher ihre Schutzmaßnahmen überprüfen und gegebenenfalls zusätzliche Maßnahmen nach dem STOP-Prinzip (S = Substitution, T = technische, O = organisatorische und P = persönliche Maßnahmen) ergreifen, zum Beispiel:

  • Substitution durch das weniger gefährlichere Zinntetrachlorid oder „gezähmtes Zinntetra­chlorid“ (Lösung von Zinntetrachlorid und Chlorwasserstoff in Polyalkoholen) 
  • Verbesserung der Absaugung, hier unter anderem bessere Anpassung der Erfassungseinrichtungen, Erhöhung des Luftstromes und Kontrolle der Rohrleitungen auf Ablagerungen
  • Begrenzung der Expositionsdauer
  • Tragen von Atemschutz

Allerdings wird auch beim Einsatz von „gezähmtem Zinntetrachlorid“ Salzsäure gebildet, die bei unzureichender Absaugwirkung als weißer Nebel aus der Absaughaube (sogenannte rauchende Hauben) entweicht. Der Effekt wird üblicherweise nur in den Sommermonaten bei hohen Außentemperaturen beobachtet, wenn zur besseren Belüftung der Glashütte alle Türen, Tore, und Fenster geöffnet werden. Dadurch kann es zu Kurzschlussströmungen kommen, sodass die nachströmende Frischluft nicht in die betroffenen Arbeitsbereiche gelangt. Da Salzsäure schwerer als Luft ist, verteilt sie sich anschließend auf dem Hüttenflur. 

Notwendiges Übel?

  • Bei der Heißendvergütung entstehen Gefahrstoffe, die im derzeit üblichen Produktionsverfahren nicht sicher erfasst werden können. 
  • Die Heißendvergütung verursacht Kosten. 

Es stellt sich also die Frage, ob die Formgebung nicht so gestaltet werden kann, dass eine Heiß­endvergütung künftig verzichtbar ist, so wie es das Substitutionsgebot der Gefahrstoffverordnung vorsieht.

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