Beinaheunfälle – Noch mal gut gegangen

Die Kölner Carglass GmbH ist darauf spezialisiert, Fahrzeugscheiben zu reparieren oder auszutauschen. Die deutschlandweit rund 2.700 Beschäftigten werden regelmäßig ermutigt, in den Werkstätten auf Schwachstellen zu achten, die zu Arbeitsunfällen führen könnten. Seit drei Jahren können sie ­Beinaheunfälle über ein zentrales Online-System melden.

Protraitbild von Martin Gedenk
Martin Gedenk und sein Team freuen sich über gut verwertbare Meldungen über das neue Online-System.

Im Rheinland gibt es die bekannte Redensart „Et hätt noch emmer joot jejange“. Der Ausspruch, der es sogar ins „Rheinische Grundgesetz“ geschafft hat, klingt mit kölscher Mundart charmant und irgendwie harmlos. Doch das Prinzip „Es wird schon irgendwie gut gehen“ führt in Unternehmen oft dazu, dass Gefährdungen und Beinaheunfälle ignoriert oder verschwiegen werden. Ein leichtfertiger Umgang mit Schwachstellen im Betrieb kann in der Folge jedoch zu ernsthaften Verletzungen führen.

Im Arbeitsalltag der Kölner Carglass GmbH herrscht beim Thema Arbeitsschutz deshalb keine „rheinische Gelassenheit“. Ganz im Gegenteil. Hier werden auch vermeintlich kleine Vorfälle systematisch analysiert und zum Wohle aller Beschäftigten aufgearbeitet. Eigens dafür hat Carglass® vor drei Jahren ein neues Online-Melde­system für Beinaheunfälle eingerichtet.

Dezentrale Unternehmensstruktur

„Eine besondere Herausforderung bei der Meldung von Beinaheunfällen ist unsere dezentrale Struktur“, erklärt Martin Gedenk, Fachkraft für Arbeitssicherheit und Safety Manager der Carglass GmbH. Die rund 2.700 Beschäftigten verteilen sich auf die Kölner Hauptverwaltung (300 Beschäftigte) und auf deutschlandweit aktuell 420 Filialen. „Angesichts unserer vielen Standorte standen wir vor der Frage: Wie kann man gewährleisten, dass die Meldung eines Beinahe­unfalls immer an die richtige Stelle gelangt und dort auch garantiert erfasst und zeitnah weiterbearbeitet wird?“, so Gedenk. Die gefundene Lösung baut auf einem digitalen Verbandbuch auf, für das die Carglass GmbH bereits im Jahr 2020 den VBG-Präventionspreis erhielt.

Praktische Online-Lösung

In jeder Werkstatt des Unternehmens ist nun am Erste-Hilfe-Bord ein QR-Code angebracht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können diesen mit dem Smartphone oder Tablet einscannen. Über einen Link gelangen sie auf eine unternehmensinterne Website. Dort haben sie drei Auswahlmöglichkeiten: „Verbandbucheintrag“, „Arbeits- oder Wegeunfall“ und „Beinaheunfall“. Wählen sie die dritte Variante, öffnet sich auf dem Endgerät ein spezielles Formblatt mit Fragen zu der entdeckten Sicherheitslücke. Das System basiert auf einer Online-Plattform, die es erlaubt, die Informationen sicher zu speichern, zu teilen und weiterzuverarbeiten. So erhält der Bereich Arbeitssicherheit direkt nach dem Absenden der Meldung über das System eine Information. Dabei werden die Daten aus dem Formblatt so aufbereitet, dass sie direkt für die nächsten Prozessschritte genutzt werden können.

Qualität statt Quantität

„Die Anzahl der Meldungen liegt derzeit noch im niedrigen zweistelligen Bereich pro Jahr. Wir sehen jedoch eine Steigerung, denn das Bewusstsein für das Thema nimmt weiter zu. Ich setze hier allerdings auch mehr auf Qualität als auf Quantität“, betont Gedenk. Denn die Meldungen, die in seinem Bereich eingingen, seien in den allermeisten Fällen sehr gut verwertbar. Häufig beziehen sich diese Hinweise bei Carglass® auf klassische Stolperfallen, wie zum Beispiel Treppenabsätze, Türschwellen, gebrochene Bodenfliesen oder abgesackte Pflastersteine auf dem Parkplatz. Diese Fälle können häufig direkt am jeweiligen Standort gelöst werden. Ist das nicht möglich, stimmt sich der Bereich Arbeitssicherheit mit dem betriebs­internen Netzwerk – vor allem den Sicherheitsbeauftragten – ab, sodass schnell jemand vor Ort reagieren kann.

Komplexer Schadensfall

Allerdings gibt es auch Meldungen, die mehrere Standorte oder sogar die gesamte Organisation betreffen. „In einem Fall hat uns ein Mitarbeiter auf eine gerissene Schweißnaht an einer Aufstiegshilfe aus Aluminium aufmerksam gemacht“, berichtet Gedenk. Über das Online-System schickte der Beschäftigte auch Fotos von dem defekten Maschinentritt. Die Abteilung Arbeitssicherheit prüfte den Vorfall und stellte fest, dass die Gefährdung auch für die anderen Standorte relevant war. Am Ende wurden im Unternehmen insgesamt 700 Maschinentritte ausgetauscht. Der Aufwand war aus Sicht von Carglass® allerdings gerechtfertigt. Schließlich konnte dadurch das Risiko für viele potenzielle Arbeitsunfälle beseitigt werden. 

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