Ein Beschäftigter in einem Isolierglasbetrieb erlitt schwere Verbrennungen bei Reinigungsarbeiten. Eine detaillierte Unfallursachenanalyse zeigt Verbesserungspotential auf.
Aufgrund des Zusammenwirkens mehrerer Faktoren ereigente sich im vergangenen Jahr bei einem Isolierglashersteller ein schwerwiegender Arbeitsunfall. Bei der Herstellung von rahmenlosen Isolierglaseinheiten mussten aufgrund eines Produktwechsels die Versieglungsdüse und die gesamte Masseführung gespült werden. Beim Abnehmen der letzten Scheibe stellte sich heraus, dass eine Spachtelspitze Versieglungsmasse fehlte. Diese wurde aus dem Spülbehälter herausgenommen. Durch das Ziehen am Behälter tropfte Versieglungsmasse aus dem noch laufenden Spülbetrieb auf den Fußboden. Zum Reinigen des Fußbodens verwendete ein Mitarbeiter leicht entzündbaren Spiritus aus einer Dosierflasche (Tropfflasche). Dabei fiel die Flasche um, und es lief Spiritus aus.
Da in der Halle bei sommerlichem Wetter hohe Temperaturen herrschten, konnte der Spiritus sehr schnell verdunsten und der Beschäftigte stand in einer „Wolke“ aus dem zündfähigen Gemisch. Da auch die Hose des Mitarbeiters mit Versieglungsmasse verschmutzt war, reinigte er diese mit einem Lappen und Spiritus. Als er einen neuen Lappen aus der Hosentasche zog, fand eine Entladung der durch die Reibung aufgebauten statischen Aufladung statt. Der dabei entstehende Funke entzündete das Spiritus-Luft-Gemisch und setzte die Kleidung des Versicherten in Brand. Nur durch das beherzte Eingreifen seines Kollegen konnte die brennende Kleidung schnell gelöscht werden. Der Versicherte erlitt schwere Brandverletzungen.
Viele Faktoren begünstigten den Unfall
- Arbeitsverfahren: Verkleckern von Material auf Fußboden und Kleidung durch Entnahme von Versieglungsmasse
- Arbeitsmittel: leicht entzündliche Flüssigkeit als Reinigungsmittel und Nutzen einer Tropfflasche, die beim Verschütten ausläuft
- Umgebungsbedingungen: jahreszeitbedingt hohe Raumtemperatur
- Mensch: Benetzen der Kleidung mit Spiritus und statische Aufladung durch Reiben mit dem Lappen
- Organisation: keine Anweisung für die sichere Aufnahme von verschütteter Versiegelungsmasse
Tipps für die Ursachenanalyse:
- Nicht nur schwere, sondern auch leichte und Beinahe-Unfälle sowie Qualitätsprobleme untersuchen
- Fachkraft für Arbeitssicherheit, Betriebsarzt und Mitarbeitervertretung sowie Kollegen und Vorgesetzte einbeziehen
- Bei Maschinenunfällen Betriebsanleitung des Herstellers, bei Unfällen mit Gefahrstoffen Sicherheitsdatenblatt zu Rate ziehen
- Vorgesehene Maßnahmen aus Gefährdungsbeurteilung und Betriebsanweisung einsehen und mit der Praxis vergleichen
- Sachliche Befragung des Verunfallten und der Kollegen zum bisherigen Verfahren
- Analyse des Arbeitsverfahrens, der Ausstattung, der organisatorischen Rahmen- und Umgebungsbedingungen sowie des menschlichen Handelns.
Drei Fragen an den VBG-Arbeitsschutzexperten
Welche Rolle spielen Kohlenwasserstoffe in unserer Branche?
Sie werden unter anderem als Lösungsmittel in handelsüblichen Lacken, Verdünnern und Reinigern eingesetzt.
Welche Grenzwerte müssen bei der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden?
Seit 2017 gelten für die Gruppe der additivfreien Kohlenwasserstoffe neue Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) nach der TRGS 900. Viele der in der Praxis verwendeten Kohlenwasserstoffgemische lassen sich nicht den drei Kohlenwasserstofffraktionen (sogenannte RCP-Gruppen) und deren AGW zuordnen.
Wie lässt sich der AGW für Kohlenwasserstoffgemische bestimmen, die nicht den RCP-Gruppen zugeordnet werden können?
Hier kann der AGW nach der RCP-Methode mit dem Online-Rechner des Instituts für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) berechnet werden.