Erdbaumaschinen – Eingeschränkte Sicht auch beim Vorwärtsfahren

In einem Rohstoffunternehmen wurde ein ­Beschäftigter von einem vorwärtsfahrenden Radlader erfasst. Zum Glück kam er mit dem Schrecken und leichten Verletzungen davon. Unfallursächlich war, dass die Sicht des Fahrzeugführers nach vorn durch die Ladung auf der Schaufel verdeckt war. Dies ist besonders kritisch, wenn Fahrzeuge und Dritte ge­meinsam einen Verkehrsweg benutzen müssen. Insbesondere in der Branche Glas und Keramik werden die universell nutzbaren Radlader zum Transport von Schüttgütern eingesetzt. Dabei ereignen sich fast jedes Jahr schwere und tödliche Arbeitsunfälle aufgrund eingeschränkter Sichtverhältnisse.

Unfallhergang

Der Radladerfahrer befand sich mit beladener Schaufel auf dem Rückweg von der Lkw-Waage. Dabei querte ein Beschäftigter das Werksgelände in Richtung Labor und damit den Fahrweg des Radladers. Der Beschäftigte wurde am Kopf leicht von der Radladerschaufel erfasst, verlor dabei das Gleichgewicht und stürzte. Der Fahrer sah in Fahrt­richtung plötzlich einen zu Boden fallenden Helm und hörte die Schreie des Verunfallten. Sofort leitete er eine Notbremsung ein. Dabei wippte der Radlader nach vorne und erfasste den am Boden liegenden Beschäftigten von hinten am Fuß und an der Hand.

Aufgrund der hoch beladenen Schaufel war die Sicht des Fahrzeugführers nach vorne stark eingeschränkt. Als der Mitarbeiter unvermittelt in den toten Winkel des Fahrzeugs trat, hatte der Fahrer keine Chance, ihn rechtzeitig zu erkennen. Hinzu kam, dass der Verletzte noch den in der Produktion erforderlichen Gehörschutz trug und somit den herannahenden Radlader nicht hören konnte. Die getragene Arbeitskleidung mit Reflexionsstreifen und der Helm sowie die eingebaute Rückfahrkamera des Fahrzeugs halfen in der Situation auch nicht, den Unfall zu vermeiden.

Maßnahmen zur Unfallvermeidung

Eine strikte Trennung von Fuß- und Verkehrsweg hätte das Unfallrisiko deutlich senken können, war jedoch aufgrund der beengten betrieb­lichen Situation nicht umsetzbar. Aus diesem Grund prüfte das Unternehmen verschiedene technische Lösungen. Hier kam beispielsweise die Nachrüstung mit einem aktiven Kamera-­Monitor-System infrage. Dieses ermöglicht eine Rundum­sicht und warnt den Fahrer zusätzlich optisch und akustisch, wenn eine Person in den Gefahrbereich tritt. Während das Unternehmen geprüft hat, welche technischen Lösungen am besten geeignet sind, wurde zudem eine anlassbezogene Unterweisung durchgeführt. Dabei wurde nochmals auf das gegenseitige Rückversichern mittels Handzeichen und Blickkontakt verwiesen. Erst wenn beide das Handzeichen geben, darf weitergefahren beziehungsweise -gegangen werden. Das Tragen von Gehörschutz soll zukünftig im Verkehrsbereich vermieden werden. 

Prämienverfahren 

Die VBG fördert im neuen ­Prämienkatalog für die Branche Glas und Keramik ab 2020 nach wie vor die Nachrüstung, Montage und Inbetrieb­nahme von Personen­erkennungssystemen an Erdbaumaschinen mit 40 Prozent der Investi­­tions­kosten. Empfohlen werden dabei insbe­son­­dere Transponder- und aktive Ka­me­ra-Mo­nitor-Systeme, die mit einem temporären akus­tischen oder optischen Signal für den Fahr­zeug­­füh­­rer und/oder zielgerichtet Dritte (Breit­bandtonwarner) im Gefahrenbereich warnen. 

Zudem werden nun die Anschaffung, Montage und Inbetriebnahme von Reaktionssystemen an Erdbaumaschinen gefördert. Bei aktiven Reaktionssystemen lösen Sensoren ein autonomes Bremsmanöver aus, um Personen im Gefahrenbereich zu schützen. Diese Systeme ermöglichen ein frühzeitiges Erkennen von Personen im Nahbereich, insbesondere vor und hinter den Erdbaumaschinen und können damit Personenunfälle verhindern.

Tipps vom VBG-Arbeits­schutzexperten 

Was muss beim Einsatz von Erdbaumaschinen beachtet werden?

Der Betreiber muss vor der Anschaffung einer Maschine die Sichtverhältnisse des Fahrers entsprechend den konkreten Fahr- und Arbeitsbereichen und den Einsatzbedingungen in der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigen. Vor allem dann, wenn mit dem Aufenthalt von Personen im Arbeitsbereich zu rechnen ist, müssen entsprechende Schutzmaßnahmen festgelegt werden. Die Beurteilung ist unabhängig vom Alter der eingesetzten Maschine durchzuführen.

Wie lässt sich feststellen, ob das Sichtfeld ausreichend ist?

Beim sogenannten Schnell-Check „Sicht“ muss eine leicht gebückte oder in kniender Haltung tätige Person in einem Meter Entfernung vor und hinter der Maschinenkontur erkennbar sein. Die Beladungshöhe der Schaufel ist dabei zu bedenken. Wenn die Sicht unzureichend ist, müssen Personen-erkennungs­systeme oder Spiegel nachgerüstet werden. Zudem sind weitere organisatorische (zum Beispiel getrennte Verkehrswege und Zugangsbeschränkungen) und persönliche Schutzmaßnahmen (Warnwesten) umzusetzen.

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