Branchenexerte – „Man darf nie lockerlassen“

Drei Jahrzehnte lang hat Dr. Karlheinz Guldner sich leidenschaftlich der Präventionsarbeit für die keramische und Glas-Industrie gewidmet. Nun geht der angesehene VBG-Branchenexperte in den Ruhestand. Als promovierter Chemiker hat er vor allem im Bereich der Gefahrstoffe vieles bewegt, von dem der Arbeitsschutz auch in Zukunft profitieren wird. Doch diejenigen, die nun an seine erfolgreiche Arbeit anknüpfen, werden weiterhin viel zu tun haben, ist sich der Branchenexperte sicher.

Herr Dr. Guldner, Sie haben in den ­vergangenen 30 Jahren mit viel ­Engagement die Präventionsarbeit im Bereich der ­Gefahrstoffe vorangetrieben. Wann hatten Sie zum ersten Mal mit diesem Thema zu tun?

Das war schon während meines Chemiestu­diums in Bayreuth. Damals hatten sich in einem Labor an der Uni Lösungsmittel entzündet. Dabei ist ein kompletter Raum in Flammen aufgegangen. Glücklicherweise ist niemand zu Schaden gekommen. Möglicherweise hat mich der Brand damals schon für das Thema sensibilisiert.

War damit der berufliche Weg zu einem Unfallversicherungsträger vorgezeichnet? 

Nicht sofort. Nach meiner Promotion habe ich zunächst drei Jahre in einem Industriebetrieb gearbeitet. Neben Forschung und Entwicklung war ich dort auch für die Erstellung von Sicherheitsdatenblättern und für die Kennzeichnung ­unserer Produkte zuständig. Das hat mich schließlich 1991 nach Würzburg zur damaligen BG Glas/Keramik geführt. 

Sind Ihnen in der Branche Glas & Keramik ähnliche Unfälle begegnet wie damals im Chemielabor? 

Kurz bevor ich meine Ausbildung als Aufsichtsperson begonnen hatte, waren in mehreren Kalksandsteinwerken Härtekessel zerborsten. Wie durch ein Wunder ist auch dabei niemand verletzt worden. In der Folge haben unsere Präventionsexperten dann die Vorfälle analysiert. Anschließend wurden alle betreffenden Betriebe aufgesucht, um die Ursache zu beheben. Danach ist nie wieder einer dieser Härtekessel explodiert. So funktioniert gute Präventionsarbeit. 

Haben Sie diesen Ansatz auch später als stellvertretender Leiter der Prävention weiterhin verfolgt?

Ja. Mir war es wichtig, dass angezeigte Unfälle und Berufskrankheiten systematisch ausgewertet werden. Anschließend haben wir dann gezielt die Unfallschwerpunkte identifiziert und die Betriebe unter diesen Aspekten aufgesucht und entsprechend beraten. Unser Präventionskonzept hat sich schon damals an den branchenspezifischen Gefährdungsschwerpunkten orientiert.

Geben Ihnen die erhobenen Daten immer Aufschluss über den Bedarf innerhalb der Branche?

Leider nicht. Wir wüssten beispielsweise gern, wie viele Unfälle und BK-Anzeigen in unserem Bereich auf Zeitarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer entfallen. Das geben unsere Statistiken aber noch nicht ausreichend her. Deshalb wollen wir künftig noch enger mit dem VBG-Präventionsfeld Zeitarbeit zusammenarbeiten.

Bei welchem Thema sehen Sie künftig einen Schwerpunkt für die Präventionsarbeit in der Branche Glas & Keramik?

Wir wissen seit langer Zeit, dass Quarzstaub Silikose und auch Lungenkrebs auslösen kann. Relativ neu ist die Erkenntnis, dass es einen Zusammenhang zwischen einer Quarzstaub-­Exposition und der chronisch obstruktiven Lungen­erkrankung (COPD) gibt. Diese könnte schon bald in die Berufskrankheitenliste aufgenommen werden. Bei der Bearbeitung dieser BK-Fälle wären von unseren Aufsichtspersonen sehr wahrscheinlich umfangreiche Ermittlungen und Dosisberechnungen durchzuführen. Daneben behalten aber auch die klassischen Präven­tionsthemen wie die Maschinensicherheit ihre Bedeutung in den überwiegend produktions­orientierten Betrieben der Branche.

In Ihrem Präventionsfeld wird also auch künftig noch eine Menge zu tun sein? 

Ganz sicher. Denn Präventionsarbeit verläuft oft in Wellenbewegungen. Manche Themen, die früher sehr präsent in den Köpfen waren, geraten im Laufe der Zeit wieder in Vergessenheit und rücken dann nach einiger Zeit wieder in den Mittelpunkt. Vor allem wenn Unternehmen wirtschaftlich unter Druck geraten, richten sie den Fokus oftmals weniger auf den Arbeitsschutz. Prävention ist also kein Selbstläufer. Deshalb dürfen wir uns auf Erfolgen nicht ausruhen. Es ist unsere Aufgabe, nie lockerzulassen!

Artikel teilen